Lehrerprotest: Unterstaatssekretärin muss gehen
9. Feb. 2016Der für die Bildung verantwortliche Minister Zoltán Balog hat überraschend seine Unterstaatssekretärin gefeuert – und das nur wenige Tage, bevor sie zu Gesprächen mit protestierenden Lehrern zusammenkommen sollte. Sowohl Magyar Nemzet als auch Népszabadság sind der Meinung, dass diese Maßnahme nicht ausreichen werde, um den geplanten Massendemonstrationen die Schärfe zu nehmen.
In einem in Magyar Nemzet veröffentlichten Kommentar wird das Vorgehen als eine unzeitgemäße Methode im politischen Geschäft bezeichnet. Eine Spitzenbeamtin zu opfern, um die Kompromissbereitschaft der Regierung unter Beweis zu stellen, werde allerdings nicht mehr ausreichen, warnt die Zeitung. Es sei allseits bekannt, schreibt Kommentator György Zsombor, dass Unterstaatssekretärin Judit Czunyi-Bertalan die Bildungsreformen nicht erfunden, sondern lediglich umgesetzt habe. Ihre Entlassung möge im politischen Sinne „den Augenblick beherrschen“ (der Artikel nimmt Bezug auf eine wohlbekannte Äußerung von Gábor G. Fodor, dem Direktor der regierungsfreundlichen Századvég-Denkfabrik – Anm. d. Red.), werde aber insgesamt gesehen den Test nicht bestehen.
(Die Protestbewegung begann im Januar mit dem offenen Brief von Lehrern eines Miskolcer Gymnasiums. Darin wurde die Regierung aufgefordert, das von ihr entworfene Bildungssystem zu überdenken. In der Folge wurden die Proteste auf die Straße getragen – wie etwa am vergangenen Mittwoch in elf Städten des Landes [vgl. BudaPost vom 4. Februar]. Der Minister für Humanressourcen berief daraufhin einen Runden Tisch ein, um die Forderungen der aufgebrachten Pädagogen zu besprechen. Die Lehrergewerkschaft plant unterdessen noch für diese Woche eine Massendemonstration in Budapest. Die Gespräche wiederum sind für Mittwoch anberaumt und sollten ursprünglich von der am Samstag überraschend entlassenen Unterstaatssekretärin für das öffentliche Bildungswesen geführt werden – Anm. d. Red.)
Der Umstand, dass Czunyi nicht komplett fallengelassen, sondern mit sofortiger Wirkung zur Herrscherin über die Entwicklung digitaler Inhalte ernannt worden sei – ein wichtiger Job in der Bildungspolitik, der eher nach einem Fachmann als einen Politiker ruft – sei ein weiteres Zeichen für die Krise, argwöhnt Magyar Nemzet. Für die kommenden Woche sagt das Blatt aus dem rechten Spektrum den Versuch einer Schadenbegrenzung seitens der Regierung voraus, was in Zugeständnissen an die Protestierenden münden könnte.
Die Entlassung der Unterstaatssekretärin von ihrem Posten werde nicht verhindern, dass den protestierenden Lehrern das System über ihren Köpfen zusammenbricht, schreibt Népszabadság in ihrem Leitartikel auf der Titelseite. Die führende linksorientierte Tageszeitung wirft der Regierung generell einen Mangel an Professionalität in Bildungsangelegenheiten vor. Die Ernennung eines neuen Beamten, dessen einzige Erfahrung im Bildungsbereich die sei, selbst einmal die Schule besucht zu haben, werde die Gespräche nur in die Sackgasse führen, meint Népszabadság und prognostiziert als Folge landesweite Proteste.
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