Anti-Terror-Gesetz entstaubt
25. Mar. 2016Linksliberale Kommentatoren bezichtigen die Regierung, sie missbrauche die Brüsseler Bombenanschläge vom Dienstag für Macht- und Propagandaspielchen.
In einem fulminanten Kommentar auf Kettős Mérce bezeichnet András Jámbor den Versuch des Ministerpräsidenten, das Gesetz über die Verhängung des Terrornotstandes wieder auf die Tagesordnung zu setzen, als empörend und der nationalen Sicherheit nicht dienlich. Jámbor erinnert daran, dass der umstrittene Entwurf einer Verfassungsänderung erst vor wenigen Wochen an der unzureichenden Unterstützung im Parlament gescheitert war.
(Einen Tag nach den Bombenanschlägen in der belgischen Hauptstadt hatte Ministerpräsident Viktor Orbán seinen Innenminister Sándor Pintér angewiesen, sämtliche Fidesz-Vorschläge zur Terrorismusbekämpfung erneut auf die Tagesordnung zu setzen, darunter auch den erwähnten Verfassungsänderungsentwurf. Letzterer würde die jeweilige Regierung in die Lage versetzen, im Falle einer terroristischen Bedrohung einen sog. „Terrornotstand“ auszurufen. Während dieser Zeit könnte die Exekutive unter anderem per Dekret regieren, Ausgangssperren verhängen, größere Menschenansammlungen verbieten, die Medienberichterstattung einschränken und auf sie Einfluss nehmen sowie die Armee in Stellung bringen, falls die Polizei einer bestimmten Situation nicht gewachsen scheint. Der Entwurf wurde vom Parlament gestoppt, weil die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit nicht zustande gekommen war. Zwar würden Oppositionsparteien den Einsatz des Militärs sowie andere Maßnahmen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Terrorbekämpfung absegnen, keinesfalls jedoch sämtliche von der Regierung geplanten Vorgehensweisen [vgl. BudaPost vom 3. Februar] – Anm. d. Red.)
Das Ziel des Staates, die Sicherheit seiner Bürger nach einem derartigen Terrorangriff zu gewährleisten, sei verständlich, urteilt der linksliberale Autor im weiteren Verlauf seines Kommentars. Allerdings wirft er dem Regierungschef vor, es gehe ihm „über den toten Körpern der Opfer von Brüssel“ hauptsächlich um Propaganda. Jámbor erinnert seine Leser daran, dass, anstatt die von den Oppositionsparteien angemahnten Modifikationen zu schlucken (die Opposition wollte den Änderungsentwurf eher am französischen Notstandsgesetz ausrichten – Anm. d. Red.), der Fidesz das Gesetz tiefgefroren habe, bis – und das hält Jámbor nunmehr für ausgemacht – zum nächsten Terrorangriff.
Im Leitartikel auf der Titelseite von Népszabadság werden die Maßnahmen der Regierung als „Show-Business“ und „politisches Marketing“ bezeichnet. Die Autoren warnen davor, an unserem Sicherheitsgefühl herumzudoktern oder mit unseren Ängsten und Befürchtungen zu spielen. Das linksliberale Blatt nennt einige dieser Maßnahmen völlig lächerlich, wobei der Leitartikel vor allem ein Foto von der Facebook-Seite des Ministerpräsidenten aufs Korn nimmt. (Es zeigt Viktor Orbán am Morgen nach dem Brüsseler Terrordienstag während eines operativen Meetings mit seinem Sicherheitskabinett sowie hochrangigen Armee- und Polizeioffizieren – Anm. d. Red.)
Vastagbőr, ein weiteres beliebtes Medium der Linksliberalen, macht sich dann auch prompt genau über dieses Foto lustig: Auf der Facebookseite des Blogs wird auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass sämtliche Anwesende rund um den Tisch mit Stiften und Papier, anstatt mit Notebook und Smartphones hantieren – mithin ein Zeichen digitalen Analphabetentums, wie Vastagbőr unterstellt. Darüber nun wieder mokiert sich die regierungsfreundliche Webseite 888. Deren Autor bezeichnet das Posting von Vastagbőr als dumm. Natürlich seien Smartphones bei solchen hoch sensiblen Besprechungen nicht gestattet, denn die Geräte ließen sich für illegales Abhören benutzen.
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