Plakat-Gesetz – zum Zweiten
21. Jun. 2017Angesichts der Versuche der Regierung, Plakate mit politischen Inhalten außerhalb von Wahlkampfzeiten zu verbieten, behauptet ein linksorientierter Kolumnist, dass im Falle eines Erfolges den Oppositionsparteien ein wichtiges noch verbliebenes Mittel zum Erreichen einer breiten Öffentlichkeit entzogen würde.
Das Gesetz über die Finanzierung von Wahlkampfplakaten hatte das Parlament ohne ihre Kernbestimmung passiert, da ein geplantes Verbot von politischen Plakaten zwischen Wahlkämpfen eine Zweidrittelmehrheit erfordert hätte (vgl. BudaPost vom 16. Juni). Präsident János Áder empfand den Gesetzestorso für nicht stimmig und sandte ihn zur erneuten Bearbeitung zurück an die Volksvertreter. Am Freitag dieser Woche soll nun die parlamentarische Sommerpause zur Beratung des Gesetzes unterbrochen werden. Die Sozialistische Partei würde einer Verabschiedung des Gesetzes nicht im Wege stehen – vorausgesetzt, es verböte die Finanzierung von Plakaten mit Hilfe öffentlicher Mittel. Allgemein gilt das geplante Gesetz als Versuch, die gegen die Regierung gerichteten Jobbik-Plakate aus dem Straßenbild zu entfernen. In der Plakat-Kampagne wirft die Rechtspartei der Regierung massive Korruption vor. Das Pikante dabei: Die teils riesigen Poster erscheinen auf Werbeflächen, die sich im Besitz von Lajos Simicska befinden, dem ehemaligen Schatzmeister von Fidesz, der sich mittlerweile mit der wichtigsten Regierungspartei und deren Chef, Ministerpräsident Viktor Orbán, überworfen hat. Die MSZP wiederum beklagt, dass sowohl die regierenden Kräfte als auch Jobbik zur Zeit nicht gerechtfertigte Wahlkampfprivilegien genössen. Jobbik ihrerseits wirft der MSZP ein stillschweigendes Einvernehmen mit der Regierung vor. Am Dienstag hat der sozialistische Spitzenkandidat für die nächstjährigen Parlamentswahlen, László Botka, die Abgeordneten seiner Partei angewiesen, dem Gesetz unter keinen Umständen zuzustimmen.
Dorka Gabay von der regierungsnahen Tageszeitung Magyar Idők berichtet, dass die Firma Simicskas über 4.000 Jobbik-Poster für durchschnittlich 230 Forint (umgerechnet etwa 0,75 Euro) pro Monat und Plakat platziert habe, also zu mehreren Hundertstel des gewöhnlichen Preises. Für den Fidesz sei diese Subventionierung ein unfaires politisches Sponsoring und sollte folglich für unzulässig erklärt werden.
Plakatwände seien die letzten Überbleibsel einer ganzen Reihe von Kanälen, mit deren Hilfe die Linke Haushalte in ganz Ungarn über ihre Ansichten habe informieren können, schreibt Miklós Hargitai, ehemaliger Kolumnist von Népszabaság, in Népszava. In ländlichen Regionen läsen die Menschen die Regionalpresse und sähen öffentlich-rechtliche Fernsehsender. Alle würden von der Regierung beherrscht. Wenn jetzt sogar Plakaten untersagt würde, politische Botschaften unter das Volk zu bringen, dann „wird sogar noch die letzte der frei verfügbaren Kommunikationsflächen verschwinden“, beklagt der linksorientierte Autor, der sich zugleich über das niedrige und vulgäre Niveau der heutigen politischen Plakate beschwert.
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