Kulturkrieg wegen Holocaust-Gedenken
23. Jan. 2014Ein linksorientierter Kommentator äußert sich positiv zu einer Stellungnahme von führenden Mitgliedern der jüdischen Gemeinden, die mit einem Rückzug von den Veranstaltungen anlässlich des Holocaust-Gedenkjahres gedroht hatten, falls die Regierung ihren geschichtlichen Ansatz nicht ändern und die implizite Weißwaschung von ungarischen Kriegskollaborateuren nicht beenden sollte. Eine regierungsfreundliche Kolumnistin dagegen wirft Kritikern vor, die Okkupation Ungarns durch Nazi-Deutschland zu leugnen.
Der Nationalrat jüdischer Gemeinden (Mazsihisz), der rund zehn Prozent der ungarischen Juden vertritt, hat die Regierung ersucht, ihre Pläne zur Errichtung eines Mahnmals in Erinnerung an die Okkupation Ungarns durch Nazi-Deutschland vom Jahr 1944 aufzugeben (vgl. BudaPost vom 4. Januar). Begründet wurde dies mit der Befürchtung, dass ein solches Mahnmal zu einem Wallfahrtsort der pro-nazistischen Erinnerung werden könnte. Zudem könnte es den Gedanken nahelegen, wonach die Nazis die einzigen für den Holocaust verantwortlichen Täter seien. Der Nationalrat fordert zudem den Rücktritt des Direktors eines erst kürzlich gegründeten geschichtswissenschaftlichen Forschungsinstituts. Dieser hatte die Ausweisung von rund 17.000 „staatenlosen“ Juden im Jahre 1941 als eine „Maßnahme der Fremdenpolizei“ bezeichnet. (Die meisten der betroffenen Personen wurden in der Folge von der Wehrmacht und ukrainischen Milizen ermordet.) Der kritisierte Historiker, Sándor Szakály, hat sich mittlerweile für seine Bemerkung entschuldigt, lehnt aber einen Rücktritt ab. So habe er nur ausdrücken wollen, dass die Maßnahme nicht die erste Phase des ungarischen Holocausts gewesen sei, der erst nach der Besetzung Ungarns durch Hitlerdeutschland 1944 begonnen habe. Schließlich fordern die führenden jüdischen Persönlichkeiten das Recht zur Überwachung des Baus der geplanten neuen Holocaustgedenkstätte. Ihren Angaben zufolge handele es sich nicht um ein Ultimatum, dennoch würden sie einen Boykott des Holocaust-Gedenkjahres in Erwägung ziehen, falls es zu keiner Verständigung mit der Regierung kommen sollte.
In ihrem Leitartikel auf der Titelseite legt Népszabadság nahe, dass der Fidesz niemanden anderes als sich selbst für diesen Skandal verantwortlich machen könne. Die Partei hätte sich der ihren Vorhaben innewohnenden Risiken bewusst sein sollen – Vorhaben, die, so das linksorientierte Blatt, zeitgenössische Spitzenpolitiker und Institutionen rehabilitieren sollten. Die Verfasser des Leitartikels bezeichnen es als bedrückend, dass der Fidesz nach wie vor nicht zu verstehen scheine, was er anrichte. Falls sich die jüdischen Organisationen von den Gedenkveranstaltungen zurückzögen, „wird es keine Gelegenheit mehr geben, dass wir uns an die Tragödie des Holocausts mit Anstand sowie unter Verzicht auf Parteipolitik und Hass erinnern“.
In Magyar Nemzet schreibt Zsuzsanna Körmendy, die Errichtung eines Mahnmals in Erinnerung an die Besetzung Ungarns durch Nazi-Truppen sei um so wichtiger, da Kritiker offenbar mittlerweile bestritten, dass eine Okkupation überhaupt stattgefunden habe. Im Gegensatz zu dem, was in schlecht informierten Zeitungen des Auslands behauptet werde, „haben wir überhaupt nicht die Absicht, die Nazi-Invasion zu feiern“, bekräftigt die Autorin. In einer Zeit, in der „wir erkennen, wie und wann unsere Vorfahren gesündigt haben“, sei es besonders unfair und erniedrigend, „dass unsere Gesichter in den Schmutz gedrückt werden“. Während die Schuld „unserer Vorfahren“ anerkannt werde, erinnert Körmendy jedoch auch daran, dass ungarische Juden bis zur Besetzung durch die Nazis jahrelang vor der Deportation bewahrt worden seien. Sie zitiert Arthur Koestler, der geschrieben hatte, dass, hätte sich seine Mutter zu einem Besuch ihrer Schwester in der Slowakei entschlossen, sie nicht überlebt hätte: „Sie verdankt ihr Überleben dem Umstand, dass sie in Budapest geblieben ist.“ Körmendy glaubt, dass das Mahnmal, das sich gegenüber dem nach dem Krieg zur Ehre von Sowjetsoldaten auf dem Szabadság tér errichteten Denkmal befinden wird, die Vorübergehenden an die beiden einander folgenden Besetzungen Ungarns durch zwei totalitäre Mächte erinnern werde.
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