Reaktionen auf das ESC-Ergebnis
14. May. 2014Verdutzte Kommentatoren aus dem rechten Spektrum empfinden den Gewinner des Eurovision Song Contest vom vergangenen Samstag als nur schwer erträglich. Einer von ihnen behauptet, der ESC ziehe ein homosexuelles Publikum an, ein anderer bezeichnet das Ergebnis des Wettbewerbs mit dem Sieg einer österreichischen Travestie-Figur als eine geistige Verirrung. Ihr linksorientierter Kollege hingegen glaubt, Österreich könnte von der Angelegenheit Conchita Wurst profitieren.
Von jeher erreicht Ungarn beim Eurovision Song Contest recht gute Resultate. Der diesjährige Vertreter, András Kállay-Saunders, belegte mit einem in englischer Sprache gesungenen Lied über häusliche Gewalt einen ausgezeichneten fünften Platz. Das bedeutete gleichzeitig das bislang zweitbeste Ergebnis Ungarns in seiner ESC-Geschichte.
Der regierungsfreundliche Hauptkommentator von Magyar Hírlap, Zsolt Bayer, empfindet es als ein Anzeichen „europäischer Idiotie“, dass die aufreizenden russischen Mädchen vom Publikum ausgepfiffen wurden, während eine bärtige „Frau“ bejubelt wurde und den Wettbewerb gewann. Bayer schreibt, er wünsche sich, dass „einer seiner Freunde“ recht habe mit der Vermutung, dass in Wahrheit „Europa für die sexy Schwedin und die vollbusigen polnischen Mädchen“ gestimmt habe und der Sieg von Conchita Wurst das Resultat von finsteren Intrigen im Computerzentrum gewesen sei.
Der Leitartikel von Magyar Nemzet ist gemäßigter im Ton und unterstreicht, dass Toleranz sowie das Verständnis für unterschiedliche Standpunkte wichtig seien. Gábor D. Horváth weiß nach eigenem Bekunden dennoch nicht, „wie er das Kindern erklären soll“. Wenn es akzeptabel sei, die russischen Mädchen auszubuhen, dann bilde der Begriff „Toleranz“ kein angemessenes Wort für ESC, meint der Autor und äußert die Ansicht, dass die Show ganz allgemein „vom Sexismus durchtränkt“ worden sei – ein Etikett, das er auch dem Auftritt der polnischen Gruppe anheftet, denn, so Horváth, beide Darbietungen müssten die Gefühle von Frauen verletzt haben. Conchita Wurst habe „das schwule und lesbische Publikum überzeugt“, was „ihren“ Sieg erkläre. Der Leitartikler spekuliert zudem, dass eine bärtige Dame nötig gewesen sei, um den ansonsten langweiligen Wettbewerb aufzupeppen. Demzufolge „hatten die Österreicher vollkommen recht: Diesen Wettbewerb konnte nur Conchita Wurst gewinnen“.
In Népszabadság erinnert András Dési daran, dass Europa vor einhundertfünfzig Jahren beim Anblick einer in Wanderzirkussen zur Schau gestellten bärtigen Frau erschauderte. Heutzutage feierten die Europäer Tom Neuwirth, der als Conchita Wurst ein bewusst inszeniertes Spiel mit den Geschlechterrollen treibe. Er mag gut und gerne ein Medien-Jux sein, doch wie auch immer, „bei der ganzen Geschichte geht es um Liebe und Inklusion“, stellt Dési fest und resümiert, Österreich könnte dadurch, dass es sich der Welt von dieser Seite präsentiere, sehr wohl erheblich profitieren.
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