Auseinandersetzung um die Werbesteuer
23. Jun. 2014Népszabadság bezeichnet die von RTL Klub angewandte Taktik der mit Hilfe von Nachrichten geübten Vergeltung als „plump“. Élet és irodalom verurteilt diejenigen Kollegen, die sich ihr eigenes Stück vom Werbesteuerkuchen herausschneiden wollten, während Magyar Nemzet davon ausgeht, dass Beschwerden in dieser Frage frühere Behauptungen über eine unfreie ungarische Presse ad absurdum führten.
In der Tageszeitung Népszabadság kritisiert Imre Bednárik die vom Parlament in der vergangenen Woche verabschiedete Werbesteuer als „ungerecht, unlauter, diskriminierend und politisch motiviert“, bezeichnet jedoch gleichzeitig die Reaktion seitens des künftigen Hauptreklamesteuerzahlers als „plump“. Am Tag nach der Verabschiedung habe RTL Klub, der führende private Fernsehsender, seine abendliche Hauptnachrichtensendung neu ausgerichtet, und zwar weg von „am Boulevard“ orientierten Inhalten hin zu heikelsten Themen. „Es ist nicht sehr geschmackvoll, wenn man am Tag der Abstimmung erkennt, dass sich mit Blick auf die Regierung auch extrem kritische Nachrichtensendungen ausstrahlen lassen“, vermerkt der Autor.
Die von RTL seitdem tagtäglich bearbeiteten Themen hätten sich unter anderem mit dem Wohlstand des Bürgermeisters der Heimatgemeinde von Ministerpräsident Viktor Orbán, den von der Bergbaugesellschaft seines Vaters gezahlten Dividenden sowie mit einer äußerst emsigen Jagd nach einem Handy beschäftigt, das bei der Hochzeit von Orbáns Tochter abhandengekommen sei. Das Hauptproblem in den Augen Bednáriks besteht darin, dass es sich bei diesen Geschichten lediglich um „für die Nachrichten von RTL Klub neue Themen“ handelt. Andere Medien hätten bereits vor Monaten oder Jahren darüber berichtet, als RTL Klub sie für nicht der Rede wert erachtet habe. Der Kommentator der linken Tageszeitung fragt sich, ob, falls die Werbesteuer plötzlich zurückgezogen würde, RTL Klub sofort auch seine regierungskritische Berichterstattung einstellen würde. „Ich fürchte, dass das der Fall wäre“, notiert Bednárik.
In einem Leitartikel auf der Titelseite von Élet és Irodalom bezeichnet Zoltán Kovács das Werbesteuergesetz als notdürftig zusammengeschustertes Gesetz, das unter Leitung von „einigen Partei-Idioten“ improvisiert worden sei. Da derartige Steueraufkommen „laut EU-Richtlinien“ illegal seien und „dem gesunden Menschenverstand widersprechen“, habe niemand das Recht, Ansprüche auf sie zu erheben. Diese Frage sei von dem für die rechtsorientierte Webseite Pesti Srácok verantwortlichen Redakteur Gergely Huth aufgeworfen worden. (Pesti Srácok [Budapester Jungs] – Epitaph junger Kämpfer während des Volksaufstandes von 1956 – Anm. d. Red.) Hugh habe die Reklamesteuer vor dem Hintergrund eines massiven Proteststurms über sämtliche politischen Grenzen hinweg (vgl. BudaPost vom 4. Juni) begrüßt und angeregt, dass die aus den Reklameeinnahmen stammenden Steuern zwischen Qualitätsnachrichtenmedien aufgeteilt werden sollten.
Doch nicht nur das. Ein liberaler Kollege habe behauptet, dass früher oder später öffentliche Gelder benötigt würden, um das Überleben von Medien mit einem Qualitätsanspruch am Leben zu erhalten. Balázs Weyer habe argumentiert, dass gegenwärtige Trends die Rolle, die Medien in der Demokratie spielten – und damit die der Demokratie selbst – „untragbar“ machten. „Was für ein wunderbarer Gedanke!“, ruft Kovács aus, rät aber seinen Kollegen: „Hände weg vom Geld anderer Leute!“ Vor wenigen Tagen erst habe ein Großteil der ungarischen Presse gegen das Gesetz protestiert, da es die Pressefreiheit verletze. Mittlerweile dächten Kollegen bereits darüber nach, wie sich sich ein Stück des Kuchens sichern könnten. Kovács fordert sie auf, gute Zeitungen zu produzieren und versichert ihnen, dass die Öffentlichkeit dafür auch zahlen werde. „Es ist absurd zu fordern, dass Zeitungen auch dann erzeugt werden sollten, wenn die Leute sie nicht kaufen wollen“, warnt Kovács.
In der Druckausgabe von Magyar Nemzet schreibt István Lovas, die westliche Presse „ist in die eigene Falle getappt“, als sie die Werbesteuer als Angriff auf die freie Presse bezeichnet habe. Er bezichtigt die „westliche Presse“ des „Ungarnhasses“. Er versucht seine These mit der Frage zu untermauern, ob westliche Journalisten in den vergangenen vier Jahren jemals einen einzigen Bericht von sich gegeben hätten, der ungarischen Meinungsführern der Linken widersprochen hätte und ob letztere jemals empfunden hätten, dass Ungarn in irgend einer Hinsicht besser abschneide als ein beliebiges anderes Land. Somit verbreiteten die westlichen Medien ein Bild von Ungarn, das ihnen von genau den ungarischen Liberalen diktiert werde, deren Partei die Wähler 2010 über den Jordan geschickt hätten.
Zu diesem Bild gehöre die Unterdrückung der Pressefreiheit durch die Behörden. Dann, plötzlich, als die Werbesteuer eingeführt und der Chefredakteur von Origo gefeuert worden sei (vgl. BudaPost vom 5. Juni), hätten genau die gleichen Medien entdeckt, dass die Regierung die freien Medien an die Kandare nehmen wolle, darunter „den beliebtesten und unabhängigen ungarischen Fernsehsender“. Bisher, so spottet Lovas, „waren wir nach der Lektüre der gleichen Zeitungen davon ausgegangen, dass diese ungarischen Medien längst nicht mehr unabhängig seien“.
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