Proteste in Sachen Medien
5. Jun. 2014Verschiedene ungarische Nachrichtenportale protestieren gegen die Entlassung des Chefredakteurs von Origo. Und ein Kollege von Népszabadság glaubt, dass Journalisten gerade in den Bereich des Prekariats abdriften.
In einem der seltenen nicht gezeichneten Leitartikel äußert sich Index.hu besorgt über den Stand der Pressefreiheit in Ungarn, nachdem der Chefredakteur vom Hauptkonkurrenten Origo entlassen worden war. Index-Eigentümer Zoltán Spéder gilt als enger Mitstreiter von Ministerpräsident Viktor Orbán. (Gergő Sáling war abgelöst worden, nachdem Origo über teure ausländische Hotelrechnungen von Staatssekretär János Lázár berichtet hatte. Allerdings dementierte das im Besitz von Magyar Telekom befindliche Nachrichtenportal jeglichen Zusammenhang zwischen den beiden Angelegenheiten – Anm. d. Red.) Laut Index stellt der Wettbewerb mit Origo eine der treibenden Triebkräfte eigener Aktivitäten dar. Das könnte künftig nicht mehr der Fall sein, befürchten die Leitartikler und verweisen darauf, dass die öffentlich-rechtlichen Medien seit 1989 von Regierungen und politischen Kräften manipuliert würden. Allerdings hätten Politiker auch Print- und anderen Medien mit Hilfe verschiedenster Instrumentarien wie Werbung, Verkaufsdruck auf die Eigentümer oder einfach „durch einen Anruf“ beeinflusst. Unter diesen Umständen seien Online-Medien zur einzigen Quelle für eine zuverlässige und unvoreingenommene Berichterstattung geworden, wobei Origo in diesem Bereich zu den Führenden gehöre, stellt Index klar. Falls Ungarn einen Punkt erreicht habe, wo Politiker für die Entlassung unbequemer Journalisten sorgen könnten, dann „kann sich niemand mehr sicher fühlen“ und Journalisten würden aus Angst um ihren Arbeitsplatz zunehmend zum Mittel der Selbstzensur greifen. Diese Schere im Kopf wiederum werde „die demokratischen Freiheiten weiter einschränken“, fürchtet Index.
Der Chefredakteur von Népszabadság, Levente Tóth, räumt ein, er wisse nicht, ob Sáling tatsächlich wegen des Lázár-Skandals seinen Hut habe nehmen müssen (der Staatssekretär dementierte vehement jegliche Beteiligung – Anm. d. Red.). Allerdings merkt Tóth an, dass das führende Nachrichtenportal Origo innerhalb von drei Jahren vier Chefredakteure gehabt habe. Bei Index als dem zweitgrößten seien es drei gewesen. Die Gründe dafür seien unterschiedlich gewesen, darunter Druck von Seiten empfindlicher Werbekunden. Demzufolge habe sich die Frage, ob ein Bericht den Arbeitsplatz von Kollegen gefährden könnte, zu einem alltäglichen Dilemma für die Redakteure entwickelt. Bislang habe niemals eine zu massive Solidarität zwischen den Medienunternehmen geherrscht, jedes habe sich an die Hoffnung geklammert, es auch alleine zu schaffen, beklagt Tóth und fordert die Medien zu der Einsicht auf, dass sie angesichts von äußerem Druck zusammenarbeiten müssten – und zwar über einen einzelnen Tag demonstrierter Solidarität mit Origo hinaus.
Tags: Gergő Sáling, Origo, Pressefreiheit