RTL Klub rebelliert
16. Jun. 2014Die Kommentatoren sind sich einig: RTL Klub, der führende kommerzielle Fernsehkanal Ungarns, hat eine massive gegen die Regierung gerichtete Kampagne gestartet und reagiert damit auf die Einführung der Werbesteuer.
Seit der Einführung der Werbesteuer (vgl. BudaPost vom 13. Juni) sendet RTL Klub Nachrichten und Berichte, die sich höchst kritisch mit der Regierung von Viktor Orbán auseinandersetzen.
Auf Index bezeichnet es András Földes als enttäuschend, dass RTL Klub – ein eher für Prominenten-Klatsch sowie billigen Sensationsjournalismus bekannter Sender – erst dann mit der Produktion ernster Nachrichten, investigativer Berichte sowie regierungskritischer Beiträge begonnen habe, nachdem das Kabinett die Werbesteuer im Medienbereich eingeführt hatte. Földes glaubt, dass der private Fernsehsender die Regierung erpressen wolle. RTL Klub würde gerne die ernstzunehmende politische Berichterstattung wieder beenden und die regierungskritische Berichterstattung einstellen, wenn der Sender im Gegenzug weniger Steuern zu zahlen hätte, ist der Autor überzeugt.
In Ungarn sei die Pressefreiheit bereits vor langer Zeit zu Grabe getragen worden, beklagt der Chefredakteur von Népszava, Tamás Mészáros. Der linke Journalist geht davon aus, dass die auf RTL Klub abzielende Strafsteuer auf Werbeeinnahmen die Folge der Regierungskampagne gegen unabhängige Medien sei. Mészáros ruft in Erinnerung, dass die Orbán-Regierung alles unternommen habe, um das linke Klubrádió zum Schweigen zu bringen, die öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender zu beherrschen und regierungsfreundlichen Medien mittels verdeckter Finanzspritzen unter die Arme zu greifen.
Der Rachefeldzug von RTL Klub gegen die Werbesteuer lasse den Verdacht aufkommen, dass die kommerziellen Fernsehsender unter linken Regierungen als Preis für die Nichtbesteuerung auf eine korrekte investigative Berichterstattung verzichtet hätten, schreibt Zsolt Bayer in Magyar Hírlap. Der regierungsfreundliche Beobachter unterstreicht, dass sich diejenigen selbst widersprächen, die der Regierung durch die Einführung der Medienwerbesteuer eine Einschränkung der Pressefreiheit vorwerfen. Statt sich über weniger Pressefreiheit zu beklagen, sollten sie lieber die neue Steuer lobpreisen, habe sie doch RTL Klub an einem einzigen Tag von einem unpolitischen Boulevard-TV-Sender in einen entschiedenen Kritiker der Regierung verwandelt.
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