Gerüchte über Strukturreformen und Ausgabekürzungen
27. Sep. 2014Linke und liberale Kommentatoren legen der Regierung die Planung brutaler Kürzungen zur Last. Zuvor hatte Wirtschaftsminister Varga Pläne über eine Senkung der Staatsquote bekanntgegeben. Ein konservativer Blogger verweist darauf, dass die Staatsausgabenquote auch ohne umfangreiche Sparmaßnahmen gesenkt werden könne – vorausgesetzt, das aktuelle Wirtschaftswachstum bleibe konstant.
Am Montag hatte Heti Világgazdaság berichtet, dass Ministerpräsident Orbán „es kaum erwarten kann, dass das Wahljahr vorbei ist“, um dann ein groß angelegtes Reformprogramm in die Wege leiten zu können. Wie aus namentlich nicht genannten regierungsnahen Quellen der linksliberalen Wochenzeitung hervorgeht, erwarte Orbán, dass die Strukturreformen in den Bereichen Gesundheitssystem, Bildung, öffentliche Verwaltung und Soziales „schmerzen“ würden und der Fidesz in der Folge an Popularität einbüßen werde. Am Dienstag teilte Wirtschaftsminister Mihály Varga anlässlich einer Konferenz mit, dass die Regierung stufenweise die Verteilungsquote von gegenwärtig 49,8 Prozent auf 45 Prozent des BIP senken wolle. Laut Berechnungen von Napi Gazdaság würde dies eine Senkung öffentlicher Ausgaben um 1.700 Milliarden Forint innerhalb von drei Jahren bedeuten. Napi Gazdaság äußerte die Vermutung, dass das Kabinett diese Kürzungen und die massiven Reformen erst nach den am 12. Oktober stattfindenden Kommunalwahlen verkünden werde. Demnach bliebe kaum Zeit für eine Diskussion der Pläne, denn der Haushalt für das kommende Jahr soll Ende Oktober vom Parlament verabschiedet werden. Am Freitag bekräftigte Ministerpräsident Orbán in seinem wöchentlichen Rundfunkinterview: „Obwohl die Sozialisten darauf hoffen, wird es keine Kürzungen geben.“
„Brutale Ausgabekürzungen sind in Sicht“, schwant László Szily auf Cink Böses. Der liberale Kommentator verweist darauf, dass, da Minister Varga die Möglichkeit von Steuererhöhungen ausgeschlossen habe, die öffentlichen Ausgaben lediglich mit Hilfe von Sparmaßnahmen gesenkt werden könnten.
Magyar Narancs schreibt: Die von Minister Varga angedeuteten Kürzungen würden insgesamt massiver ausfallen als das 1995 von der damaligen MSZP-Regierung verabschiedete sogenannte „Bokros-Paket“. Es hatte zum Ziel, mittels rascher und drastischer Ausgabekürzungen eine Pleite abzuwenden. Das linksliberale Wochenmagazin erwartet, dass im Ergebnis der Kürzungen viele im Bereich der öffentlichen Verwaltung tätige Menschen ihren Job verlieren sowie öffentliche Dienstleistungen noch zentralisierter gestaltet würden.
Zweifellos müsse die Verteilungsquote deutlich gesenkt werden, heißt es auf Kettős Mérce. Der linksliberal orientierte Blog glaubt, dass Ungarn tatsächlich die Umverteilung kappen müsse, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Allerdings fürchtet Kettős Mérce, dass die Verlierer der Kürzungen die benachteiligten Ungarn sein würden. Der Blog wirft der Fidesz-Regierung vor, sie greife auf konservative Wirtschaftsprinzipien zurück. Erneut dürfte die Regierung bei denjenigen sparen, die am nötigsten Fürsorge und Hilfe benötigten, spekuliert Kettős Mérce. Ganz nebenbei vermerkt der Blog, dass der Fidesz seiner eigenen Anti-Markt-Rhetorik widerspräche, falls er Privatinvestoren im Gesundheits- und Bildungssystem zulassen würde.
Csaba Szajlai von Magyar Hírlap vertritt die Auffassung, dass die ungarische Wirtschaft eine schlankere Bürokratie und eine geringere Umverteilungsquote benötige, um wettbewerbsfähiger zu werden. Ohne Wachstum könne die Staatsverschuldung nicht gesenkt werden. Weiter schreibt der konservative Analyst, Ungarn könne nur hoffen, dass eine Steigerung der Produktion mehr Arbeitsplätze, Wohlstand und Entwicklung zur Folge haben werde. Szajlai glaubt, dass die rasche Stärkung des Forint gegenüber dem Euro nach der Ankündigung von Minister Varga ein Beweis dafür sei, dass auch die Märkte die vorgeblichen Pläne der Regierung begrüßen würden.
Die angekündigten Ausgabekürzungen ließen sich ohne größere Sparmaßnahmen umsetzen, beteuert Ákos Gergely Balogh auf Mandiner. Balogh erinnert daran, dass laut von Index.hu vorgenommenen Berechnungen die Staatsquote sinken werde, falls sich das Wirtschaftswachstum in den kommenden drei Jahren der Marke von drei Prozent nähere, die Inflation niedrig bleibe und die Regierung die Ausgaben nicht erhöhe. Angesichts der Tatsache, dass die Regierung Orbán das Defizit unter dem Schwellenwert von drei Prozent gehalten habe und es selbst im Wahljahr dort halten werde, glaubt Balogh, es existierten gute Gründe für die Annahme, sie könne Zurückhaltung üben und die Ausgaben unter Kontrolle halten. Mit Blick auf die Kürzungsvorwürfe aus dem linken Lager vermerkt der Autor, es sei nicht überraschend, dass sie Opposition die Gelegenheit nutze, Ängste in der Öffentlichkeit zu schüren, indem sie die Regierung einer Kürzung der Ausgaben bezichtige. Immerhin habe dies der Fidesz bis 2010 als Oppositionspartei ebenfalls getan.
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