Kontroverse um niedrige Wahlbeteiligung
15. Oct. 2014Linksliberale Kolumnisten führen den Sieg des Fidesz bei den Kommunalwahlen vom Sonntag auf zunehmenden Defätismus und Apathie beim Wahlvolk zurück. Eine konservative Kommentatorin wiederum glaubt, die geringe Wahlbeteiligung sei in gewisser Weise ein Vertrauensbeweis zugunsten der Regierungspartei.
„Die Wähler haben nicht an die Möglichkeit eines Wandels geglaubt“, schreibt Zoltán Lakner in Népszabadság. Der linksliberale Analyst erinnert an die Tatsache, dass die Beteiligung an allen drei Urnengängen des Jahres 2014 gering ausgefallen sei – 62 Prozent bei den Parlamentswahlen vom April, 29 Prozent bei den Wahlen für das Europaparlament sowie 44 Prozent bei den Kommunalwahlen vom Sonntag. Mit zunehmender Passivität der Wähler habe der Fidesz ungeachtet nachlassender Unterstützung mittels einer erfolgreichen Mobilisierung seiner Kernanhängerschaft Siege einfahren können. Weiter stellt der Autor fest, dass „die Mehrheit der Ungarn das Orbán-Regime nicht mag“, doch sämtliche Bestrebungen zu dessen Ablösung für aussichtslos halte. Die Opposition habe verloren, weil sie außer einer Anti-Orbán-Rhetorik weder ein glaubwürdiges Programm noch eine Vision habe bieten können. Nach der dritten Niederlage in Folge sollte die Linke erkennen, so Lakner, dass das Wahlvolk nicht die Rückkehr eines „osteuropäischen Kapitalismus der Vetternwirtschaft“ wünsche, sondern einen „postkommunistischen, quasi-feudalen Populismus“ bevorzuge, der zumindest Sicherheit und Stabilität verspreche.
Die ungarischen Wähler hätten sich selbst abgeschrieben, kindisch agiert und würden demzufolge von ihrer Regierung als Kinder betrachtet werden. Mit diesen Worten kommentiert Dávid Dercsényi in Magyar Narancs das Ergebnis der Kommunalwahlen. Für den liberalen Kolumnisten ist es enttäuschend, dass sich die Wähler ungeachtet einer – in seinen Augen – zunehmenden Verarmung, eines schleppenden Wirtschaftswachstums sowie der Schwächung demokratischer Kontrollmechanismen nicht gegen die Regierung gestellt hätten. Dercsényi macht zunehmende Apathie und Hoffnungslosigkeit für die Niederlage der Linken verantwortlich.
Dagegen hält es Zsuzsanna Körmendy für falsch, wenn die besiegte Linke die geringe Wahlbeteiligung auf Apathie zurückführe. Vielmehr sei sie das Ergebnis der Tatsache, dass die Wähler den Sieg der rechten Regierungsparteien als sicher vorausgesetzt hätten, schreibt die konservative Kommentatorin in Magyar Nemzet. Die Wahlbeteiligung wäre erheblich höher ausgefallen, falls die Ungarn unzufrieden mit ihrer Regierung sein würden und auf diese Weise ihren Unmut hätten artikulieren wollen. Demzufolge sollten die Ergebnisse der Kommunalwahlen als ein Hinweis darauf angesehen werden, dass die Wähler im Großen und Ganzen zufrieden mit den Errungenschaften der Regierung seien. Gleichzeitig verpflichte der Sieg der Regierungspartei bei den Kommunalwahlen den Fidesz weiterhin dazu, dafür zu sorgen, dass „die positiven Veränderungen selbst noch im abgelegensten Haus des abgelegensten Dorfes spürbar sein werden“, notiert Körmendy abschließend.
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