Nationale Souveränität im Fokus
8. Dec. 2014Analysten des linken Spektrums werfen der Regierung vor, jedwede innere und äußere Kritik an ihr als Versuch darzustellen, die nationale Souveränität Ungarns zu beschneiden. Ein Kolumnist des rechten Spektrums behauptet, die Ungarn hätten ein sehr negatives Bild von den USA und der EU.
Auf die umstrittene „Neofaschisten-Äußerung“ von US-Senator McCain (vgl. BudaPost vom 5. Dezember) angesprochen, sagte Ministerpräsident Orbán am Freitag in seinem zweiwöchentlichen Radiointerview: „Ungarns Unabhängigkeit wird angegriffen.“ Jenen, die von Ungarns Abhängigkeit vor dem Jahr 2010 profitiert hätten, würde der Versuch des Landes nicht passen, in Bereichen wie Energie, Banken und Handel souverän zu werden. Und wörtlich fügte der Regierungschef hinzu: „Ich bin nicht bereit, der Vizekönig einer ausländischen Macht zu sein.“
Ministerpräsident Orbán stelle mit Vorliebe jede gegen ihn gerichtete Kritik als Angriff auf die nationale Unabhängigkeit dar, schreibt Népszabadság im Leitartikel auf der Titelseite. Mit der Behauptung von der gefährdeten nationalen Souveränität könne er so tun, als wäre seine gesamte Politik darauf ausgerichtet, die nationalen Interessen gegen Feinde zu verteidigen. Vor 2010 habe Orbán die Koalition aus Sozialisten und Liberalen oft kritisiert, sie unterwerfe sich Moskau. Nunmehr gehe er davon aus, die nationalen Interessen müssten gegen die Einmischung durch Multis, aus Brüssel und jüngst von Senator McCain verteidigt werden.
Während Ministerpräsident Orbán die Verteidigung nationaler Interessen vorgebe, schade er letztendlich den Interessen aller Ungarn, behauptet Tamás Mészáros in Népszava. Orbán nehme nicht nur jene ins Visier, die er als externe Feinde ausgemacht habe. Vielmehr stempele er seine inländischen Kritiker gerne auch in dem Sinne ab, als würden sie ausländische Interessen verfolgen. Die Kritik McCains und anderer habe auf die Regierung, nicht aber auf Ungarn gezielt, glaubt Mészáros und prognostiziert abschließend, es werde Ministerpräsident Orbán künftig immer schwerer fallen, selbst seine treuesten Anhänger davon zu überzeugen, dass sein Hauptanliegen der Kampf um nationale Souveränität sei.
In den vergangenen 25 Jahren habe sich das Image der Ungarn mit Blick auf die USA und Russland umgekehrt, kommentiert András Bencsik in Magyar Demokrata eine in der selben Wochenzeitschrift veröffentliche Umfrage. (Demnach betrachten die Ungarn die USA und die EU als jene ausländischen Mächte, die sich am unfreundlichsten dem eigenen Lande gegenüber zeigen. Konkret erreichten auf einer Skala von eins bis fünf die USA den niedrigsten [1,7] und die EU den zweitniedrigsten [2,2] Wert. Russland [3,5] dagegen wird als ein wesentlich weniger feindseliger Staat betrachtet. Als die freundlichsten Staaten gelten Polen [4,3]; Deutschland und Österreich [jeweils 4,0] sowie China [3,8]. / Die Wochenumfrage von Demokrata wird oft als dilettantisch kritisiert, da sie auf den Antworten von 500 auf einem zentralen Budapester Platz zufällig ausgewählten Passanten basiert – Anm. d. Red.) Bencsik hält es für bezeichnend, dass gerade junge Ungarn über eine extrem negative Wahrnehmung der USA verfügen. Der regierungsfreundliche Kommentator sieht das negative Image der Vereinigten Staaten in der Tatsache begründet, dass Washington „die nationalen Interessen Ungarns ignoriert“.
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