Geteiltes Ungarn am Nationalfeiertag
17. Mar. 2015Ungarn hat am Sonntag seinen Feiertag zum Gedenken an die Revolution des Jahres 1848 begangen. Gleichzeitig fordern Kommentatoren beider politischer Lager nationale Geschlossenheit, beschuldigen sich aber umgehend gegenseitig, die Nation weiter zu polarisieren.
In seiner Festrede zum 15. März erklärte Ministerpräsident Viktor Orbán, die nationale Souveränität sei das organisierende Prinzip sowohl für die Revolutionäre, die sich 1848 für die Unabhängigkeit Ungarns eingesetzt hätten, als auch für seine eigene Regierung. Die linke Opposition wiederum warf der Regierung vor, sie verrate den Geist der 1848er Revolution, indem sie demokratische Rechte sowie die Redefreiheit einschränke. Jobbik-Politiker kritisierten die vergangenen 25 Jahre und vertraten die Ansicht, dass die Errungenschaften der Zeit nach 1989 nicht im Einklang mit den wichtigsten Grundsätzen der Revolution von 1848 stünden.
In Népszava wirft György Sebes dem Fidesz den Versuch vor, sich die Erinnerung an die Revolution von 1848 unbefugt zu eigen zu machen. Der linke Kolumnist schreibt, der Vergleich der nationalen Revolution 1848 mit der „Wahlkabinenrevolution“ des Fidesz solle leugnen, dass die liberale und sozialistische Opposition eine wichtige Rolle im demokratischen Übergangsprozess der Jahre nach 1989 gespielt habe.
„Anstatt wenigstens im Gedenken an die Revolution von 1848 Einheit zu demonstrieren, sind wir in parteiische Lager gespalten und kritisieren uns – hinterrücks aus unseren ideologischen Bollwerken heraus – gegenseitig“, beklagt László Kiss in Magyar Hírlap. Der konservative Kommentator bezeichnet es als geschmacklos, dass die nunmehr den Zerfall der Demokratie fürchtende Linke 2006 geschwiegen habe, als die Polizei massiv gegen friedliche Oppositionsdemonstranten vorgegangen sei. Kiss fragt sich, weswegen die oppositionellen Demonstranten, die das Gedenken anlässlich des 15. März für ihre Forderung nach Pressefreiheit genutzt und der Regierung Zensur vorgeworfen hätten, keinerlei Bedenken geäußert hätten, als die öffentlich-rechtlichen Medien vor acht Jahren stillschweigend über die Polizeigräuel hinweggegangen seien.
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