Weitere Lehren aus der Griechenlandkrise
20. Jul. 2015Die Meinungen gehen in der Frage weit auseinander, wer für die finanziellen Schwierigkeiten Griechenlands verantwortlich sei und ob die von den Parteien akzeptierte Lösung einen Schritt vor- oder rückwärts darstelle. Ein Autor aus dem rechten Spektrum meint, Ungarn habe es dank der unorthodoxen Wirtschaftspolitik der Regierung nach 2010 geschafft, nicht in eine vergleichbare Krise gestürzt worden zu sein.
Im wöchentlichen Leitartikel von Magyar Narancs heißt es, sowohl die dominierenden als auch die abweichenden Interpretationen der Ereignisse in Griechenland seien falsch. Gemäß einer der Einschätzungen sei man Zeuge eines Kampfes zwischen Demokratie – repräsentiert von Griechenland – und einer supranationalen Bürokratie, verkörpert durch die Europäische Union. In Wirklichkeit habe die griechische Regierung Europa regierenden Politikern gegenübergestanden, die ebenso wie sie selbst demokratisch gewählt worden seien. Diese europäischen Politiker müssten die Erwartungen ihrer eigenen Wählerschaft in Betracht ziehen. So herrschten zahlreiche demokratisch legitimierte Interessen in Europa und es sei schwierig, einen beiderseitigen Kompromiss herzustellen. Letztendlich sei ein solcher Kompromiss gefunden worden. Daher glaubt Magyar Narancs, dass das Geschehen nicht der Vorbote des Zerfalls der Europäischen Union gewesen sei, sondern ein Sieg der europäischen Demokratie, die bewiesen habe, dass sie in einer beispiellos kritischen Situation den Dialog am Leben halten könne.
Einen weitaus pessimistischeren Standpunkt zum Fall Griechenland nimmt György Dózsa in seinem Leitartikel für Figyelő ein. Der Euro habe ursprünglich ein Werkzeug der politischen Integration Europas sein sollen, doch habe die Finanzkrise das Gegenteil bewiesen. Tatsächlich habe die Eurozone, als sie keine weiteren Druckmittel gegenüber Griechenland mehr gesehen habe, einfach die Europäische Zentralbank gebeten, „den Geldhahn zuzudrehen“. Deutsche Politiker hätten einen Fehler begangen, als sie sich zunächst für die weitere Finanzierung des insolventen Griechenlands entschieden hätten. Nunmehr bestehe ihrerseits nicht der Mut, diesen Fehler einzuräumen. Die breite Öffentlichkeit ziehe es vor, die Schuld den angeblich faulen und korrupten Griechen zuzuschieben. Auf der anderen Seite habe die regierende Linke in Griechenland die von der EU und dem IWF angemahnte rigide Sparpolitik zurückgewiesen, selbst aber kaum etwas getan, um das eigene Land zu stabilisieren, notiert Dózsa. Wolle man sich aber herausfordernd gegenüber den eigenen Gläubigern präsentieren, müsse man zuallererst die Schulden rechtzeitig bezahlen – so wie es Ungarn getan habe. Und da Ungarn in seinem Schuldendienst immer pünktlich gewesen sei, glaubt Dózsa der Regierung nicht, wenn sie auf der Feststellung bestehe, dass sich beide Länder vor fünf Jahren – zu Zeiten der Machtübernahme des Fidesz – in einer ähnlichen Lage befunden hätten. Und dass Ungarn heute unvergleichlich besser dastehe, sei den Maßnahmen der konservativen Regierung geschuldet.
In Demokrata stimmt Andor Kárász dieser Analyse nicht zu. Während die griechische Verschuldung erheblich gestiegen sei, solange die Regierung die Ratschläge der EU und des IWF beherzigt habe, sei Ungarn eine Reduzierung seiner Schuldenlast geglückt, weil das Land Maßnahmen vermieden habe, die den Inlandskonsum eingeschränkt hätten, sowie multinationale Konzerne zum Zwecke des Haushaltsausgleichs besteuert worden seien. Der Westen habe Ungarn heftig dafür gescholten, diesen Weg gegangen zu sein. Und als die linke Regierung in Griechenland versucht habe, die Steuer auf Unternehmensgewinne zu erhöhen, hätten die internationalen Gläubiger ihr Veto dagegen eingelegt. Allerdings habe das Jahr 2014 mit seinem BIP-Wachstum von 3,6 Prozent – der zweithöchsten Wachstumsrate innerhalb der EU nach Irland – der ungarischen Regierung Recht gegeben. Der Autor glaubt an ein nachhaltiges Wachstum, da es auf einem gesteigerten Inlandskonsum basiere. In Griechenland wiederum sei die Inlandsnachfrage in den vergangen fünf Jahren um 15 Prozent gefallen, konstatiert Kárász.
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