Anti-Terroreinheit in der Kritik
28. Nov. 2015Linke und liberale Kommentatoren verspotten die ungarische Anti-Terroreinheit TEK für die Verhaftung von „Freizeithistorikern“ wegen des Besitzes von Waffen und Explosivstoffen. Ein regierungsfreundlicher Kolumnist wiederum verteidigt den Einsatz der TEK, hält aber deren Informationsstrategie für irreführend.
Am Dienstag gab der Chef der ungarischen Eliteeinheit zur Terrorismusbekämpfung (TEK), János Hajdu, die Verhaftung von zwei ungarischen und zwei ausländischen Staatsbürgern bekannt. Bei ihnen waren laut Terrorelhárítási Központ Waffen (darunter Maschinengewehre und selbstgebastelte Schalldämpfer) und Sprengstoff entdeckt sowie eine Bombenwerkstatt ausgehoben worden. Nach Angaben von Hajdu bestehe die Möglichkeit, dass das Quartett einem extremistischen Netzwerk angehört. In Medienberichten hieß es dazu, bei den vier Festgenommenen könnte es sich um Radikale mit dschihadistischem Hintergrund handeln. Am Mittwoch verwarf das Budapester Stadtgericht den Antrag der Polizei auf Ausstellung eines Haftbefehls. Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass die vier Verdächtigen in keinerlei Verbindung zu terroristischen Organisationen stehen würden. Vielmehr handele es sich um Freizeithistoriker mit Interesse an der Geschichte des Zweiten Weltkrieges, die in einem Waldstück Waffen und Munition ausgegraben hätten. Der Richter verwies zudem darauf, dass einer der Verhafteten noch bei seinen Eltern leben würde. Das Nachrichtenportal Index.hu dagegen berichtete, dass zwei der Festgenommenen über Verbindungen ins rechtsradikale Milieu verfügten und darüber hinaus wegen illegalen Waffenbesitzes vorbestraft seien.
Auf Kettős Merce beschuldigt András Jámbor TEK-Chef Hajdu, er habe die Öffentlichkeit bewusst in die Irre geführt. Von Anfang an habe er nicht klargestellt, so Jámbor, dass die Verhafteten nicht in dem Verdacht stünden, in Verbindung zu dschihadistischen Gruppierungen zu stehen. Der linksorientierte Blogger hält es für höchst besorgniserregend, dass der Chef der führenden Einheit Ungarns zur Terrorismusbekämpfung eine öffentliche Anti-Terror-Hysterie schüre.
Für Márton Bede ist der Fall ein Beleg dafür, dass die Anti-Terror-Einheit ihrer Aufgabe nicht gewachsen sei. Auf 444 äußert der liberale Kommentator die Befürchtung, dass die TEK nicht in der Lage wäre, die Ungarn im Falle einer echten Terrorgefahr zu schützen. „Die Anti-Terror-Einheit stellt eine unmittelbarere Bedrohung für uns dar als der Islamische Staat“, ätzt Bede.
„Die Liberalen sind verrückt geworden“, kontert Péter Szikszai in Magyar Idők derartige Behauptungen seitens der Linken und Liberalen. Der regierungsfreundliche Kolumnist erinnert daran, dass die vier Verhafteten Waffen und Sprengstoff besessen hätten. Demnach habe die Anti-Terror-Einheit mit deren Festnahme absolut richtig gehandelt. Szikszai räumt ein, es sei ein großer Fehler von Hajdu gewesen, mögliche Verbindungen der Verhafteten zu islamistischen Extremisten nicht ausdrücklich dementiert zu haben. Dennoch sei die Behauptung – der sich sogar das Budapester Stadtgericht angeschlossen habe – absurd, dass von Freizeitaktivisten, die bei ihren Eltern leben und in ihren Autos Waffen transportieren würden, keine Gefahr für die Öffentlichkeit ausginge.
Immerhin habe auch Anders Breivik, der norwegische rechtsradikale Massenmörder, bis zu seinem 30. Lebensjahr bei seiner Mutter gelebt, erinnert der Autor. In der Vergangenheit seien Gerichte sehr viel strenger mit Waffen besitzenden Rechtsradikalen umgesprungen, selbst wenn diese keine unmittelbare Gefahr für die Öffentlichkeit dargestellt hätten. In einer Randnotiz unterstreicht Szikszai, der aktuelle Fall sei auch ein Beweis für die Unabhängigkeit der ungarischen Justiz gegenüber der Regierung.
(Am Freitag teilte das ungarische Innenministerium mit, dass die Polizei neben den vier jungen Leuten zwei weitere ungarische Staatsbürger festgenommen habe, die die Ermordung eines Regierungspolitikers geplant hätten. Die Boulevardzeitung Blikk vermutet, dass es sich bei der geplanten Attentatszielperson um Ministerpräsident Viktor Orbán gehandelt habe – Anm. d. Red.)
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