Spekulationen über Präsident Áders Zukunft
23. May. 2016Verschiedene Kommentatoren schenken Gerüchten Glauben, denen zufolge Regierungschef Viktor Orbán eine Wiederwahl von Präsident János Áder im kommenden Jahr nicht befürworte. Die Meinungen über die möglichen Gründe gehen jedoch auseinander. Eine Quelle behauptet beispielsweise, dass der Präsident das Amt vor vier Jahren lediglich für eine Legislaturperiode übernommen habe.
Imre Bednárik und Ildikó Csuhaj von Népszabadság pflichten dem KDNP-Politiker György Rubovszky bei. (Der christdemokratische Parlamentsabgeordnete hatte einem Kollegen unter vier Augen mitgeteilt, dass der Ministerpräsident „ihn nicht wiederwählen lässt“. Die Unterhaltung wurde von Hír TV mitgeschnitten und veröffentlicht. Rubovszky stritt später ab, sich auf den Staatspräsidenten bezogen zu haben. Der Sprecher des Ministerpräsidenten erklärte vor Pressevertretern, dass Viktor Orbán keine verfassungsmäßig vorgeschriebene Rolle im Entscheidungsprozess über den künftigen Präsidenten spiele – Anm. d. Red.) Die beiden Népszabadság-Journalisten gehen davon aus, dass Orbán die Weigerung Áders missbilligt habe, dem Ende der öffentlichen Kontrolle über die Nationalbank-Stiftungen Gesetzeskraft zu verleihen (vgl. BudaPost vom 11. März). Sie räumen ein, dass der Präsident niemals habe erkennen lassen, sich aktiv um eine Wiederwahl bemühen zu wollen. Orbán werde unabhängig davon das Thema sowieso erst dann auf die Tagesordnung setzen, wenn es nötig sei. Im Moment jedenfalls heiße sein Favorit Zoltán Balog, derzeit Minister für Humanressourcen, glauben die beiden Journalisten.
Nach Einschätzung von András Dezső hatte János Áder die Übernahme der Rolle als eine Art „Unterzeichnungs-Maschine“ abgelehnt. Zudem habe er sich gegen verschiedene wichtige Parlamentsbeschlüsse gestellt, wenngleich „ohne ernsthafte Probleme dadurch zu verursachen“, notiert Dezső auf Index. (Neben dem Gesetz zur Nationalbank betraf dies etwa eine umstrittenen Novelle, Wähler bei Volksabstimmungen zunächst registrieren zu lassen. Áder verwies das Gesetz an das Verfassungsgericht und erreichte dessen Aufhebung. Auch einige „kleinere“ Gesetze kassierte das Staatsoberhaupt unter Verweis auf den Umweltschutz, darunter die Erlaubnis zum Verkauf von zu Nationalparks gehörendem Land oder die Einführung einer geplanten Sondersteuer auf Solaranlagen. Áder äußerte sich unzufrieden mit einer Verfassungsänderung und unterschrieb sie mit den Worten: „Ich habe keine andere Wahl.“ – Anm. d. Red.) In Bezug auf die Aussage von Orbáns Sprecher, wonach der Ministerpräsident keine Rolle bei der Entscheidung über den nächsten Präsidenten spiele, verweist Dezső darauf, dass Orbán nicht zuletzt Vorsitzender einer Partei sei, die fast zwei Drittel der Mandate im Parlament besetze, und er als solcher über eine mächtige Stimme in der Frage verfüge, wen der Fidesz zu seinem Kandidaten mache und wer letztendlich auch gewählt werde.
Barna Borbás sieht seine Titelgeschichte der Vorwoche unter der Überschrift „Warum Orbán nicht an Áder festhalten will“ von den Entwicklungen bestätigt. In Heti Válasz zitiert er zwei namentlich nicht genannte Quellen, die behauptet hatten, Áder habe dem Regierungschef vor vier Jahren mitgeteilt, er werde lediglich für eine Amtszeit in den Präsidentenpalast einziehen. Der ursprüngliche Kandidat für den Ersatz von Pál Schmitt, der wegen eines Plagiatsskandals habe abtreten müssen, sei Parlamentspräsident László Köver gewesen. Der habe sich laut Borbás jedoch selbst als politisch zu polarisierend betrachtet, um als Präsident zu dienen. Ebenso wenig hätte er sich mit den ständigen Auslandsreisen anfreunden können. Insgesamt betrachtet, notiert Borbás, habe der gegenwärtige Präsident im System der gegenseitigen Gewaltenkontrolle aktiver agiert als alle seine Vorgänger, wobei einer (Schmitt) niemals gegen ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz gestimmt habe, während die anderen beiden (Göncz und Mádl) diese konstitutionelle Waffe nur gegen Gesetze der „anderen Seite“ in Stellung gebracht hätten, also von solchen Parlamenten verabschiedete Gesetze, deren Mehrheiten nicht dem politischen Lager des jeweiligen Staatschefs angehörten. (Der Analyst erwähnt jedoch nicht den konservativen László Sólyom, der während seiner Amtszeit in den Jahren zwischen 2006 und 2010 insgesamt 16 Gesetze der linksliberalen Mehrheit kassiert hatte – Anm. d. Red.)
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