Ungarn, Visegrád und der Brexit
6. Jul. 2016Ein linksorientierter Kommentator bezeichnet die ungarische Regierung als „Sprecherin“ der vier Visegrád-Staaten (V4) in deren Auseinandersetzung mit der Europäischen Union, während ein konservativer Analyst die Ansicht vertritt, dass Angela Merkel ihre Strategie ändern und sich den V4 annähern werde.
In einem Kommentar für Népszava kritisiert Róbert Friss jüngste Äußerungen von Außenminister Péter Szijjártó zum Thema Brexit als „Erpressung“. (Szijjárto hatte gesagt, „Brüssel muss gestoppt werden“, da die Politik der Union, vor allem mit Blick auf die massenhafte Einwanderung, nicht haltbar sei – Anm. d. Red.) In Wirklichkeit fürchte der Minister das, was der Kommentator als einzig mögliches Rezept gegen den Brexit-Schock bezeichnet: eine vertiefte politische, wirtschaftliche und finanzielle Integration. Die ungarische Regierung greife zur Tarnung ihrer Bemühungen um ein Ende weiterer Integrationsanstrengungen auf die Migrationsproblematik zurück, behauptet Friss und geht noch einen Schritt weiter, wenn er argwöhnt, dass der Außenminister die Europäische Union zu Schritten Richtung Unabhängigkeit der Nationalstaaten habe erpressen wollen. Andernfalls würde der mitteleuropäische Block dem britischen Beispiel folgen.
Ferenc Hörcher richtet sein Augenmerk auf Angela Merkel. Auf Mandiner äußert der Philosoph die Vermutung, dass sich die Bundeskanzlerin aus Unzufriedenheit mit der Politik von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker den vier Visegrád-Staaten annähere. Juncker könnte – nach einer Reihe britischer Spitzenpolitiker – als Nächster dem Brexit zum Opfer fallen. Zur Begründung seiner These verweist Hörcher auf Berichte, denen zufolge der rücksichtslose Umgang Junckers mit dem Vereinigten Königreich Merkel auf die Palme gebracht habe. Auch der Schwenk ihrer eigenen Anhängerschaft in Richtung einer konservativeren Gesinnung könnte bewirken, dass Merkel auf die Bremse treten und sich nach einem populäreren Modell einer EU-Zusammenarbeit umschauen werde. Das, so Hörcher, brächte sie überraschenderweise den V4 (Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Polen) näher.
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