Die Roma und das Quotenreferendum
22. Sep. 2016Eine Roma-Menschenrechtsaktivistin wirft der Regierung vor, sie versuche Roma zur Stimmabgabe beim Quotenreferendum zu erpressen, während sie gleichzeitig gegen die Minderheit gerichtete Stereotype nutze, um Nicht-Roma zu mobilisieren. Ein regionaler Spitzenvertreter der größten ethnischen Minderheit des Landes wiederum argumentiert, dass die Ankunft von Massen an Migranten eine Gefahr für Roma-Gemeinden darstelle.
Auf einer Wahlveranstaltung in der vergangenen Woche hatte der Bürgermeister von Jászberény, Tamás Szabó, die örtlichen Roma dazu aufgerufen, beim Referendum am 2. Oktober gegen die EU-weite Migrantenumverteilungsquote zu stimmen. Sollte Ungarn sich um Migranten kümmern müssen, bleibe aufgrund der dadurch verursachten finanziellen Belastung weniger Geld für die Arbeitslosenunterstützung übrig, warnte Szabó. Am Montag griff János Lázár, der für das Amt des Regierungschefs zuständige Minister, Szabós Äußerung auf und äußerte sich ähnlich. Lázár erklärte, Hunderttausende von Migranten könnten nach Ungarn kommen, sollte das Referendum scheitern. Ungarn würde laut Lázár nicht in der Lage sein, diese Menschen zu integrieren, „denn wir leben mit den Roma seit 600 Jahren zusammen und sind damit gescheitert, deren Probleme zu lösen“.
Die Rhetorik der Regierung komme der Anstiftung zum Hass gleich, schreibt Nikolett Suha auf Kettős Mérce. Die Roma-Menschenrechtsaktivistin findet es widerlich, dass die Regierung einerseits versuche, arme Roma-Wähler zur Abstimmung gegen Migrantenquoten zu erpressen, indem man ihnen mit einer Kürzung der Arbeitslosenhilfe drohe, und andererseits Nicht-Roma-Wähler mit der Behauptung mobilisiere, Immigration würde im Ergebnis große, nicht integrierte Gemeinschaften erzeugen. Die Regierung schüre unter den Roma eine Furcht vor Einwanderern, um sicher zu gehen, dass sie wählen gingen, und sie mobilisiere Nicht-Roma, indem sie auf Anti-Roma-Stereotype zurückgreife. Suha glaubt, dass diese Strategie der Beteiligung am Referendum zugutekommen werde, doch die von der Regierungsrhetorik erzeugten vermehrten Angst- und Hassgefühle könnten sich längerfristig auswirken.
Für einen regionalen Zigeunerführer ist es ganz offensichtlich, dass die Umsiedlung von Massen an Migranten extrem schädlich für die ungarischen Roma wäre. Attila Lakatos, der lokale Woiwode (ein von den Älteren gewählter Spitzenfunktionär) geht auf dem Miskolcer Nachrichtenportal Minap sogar so weit zu behaupten, dass die von einer möglichen Umsiedlungswelle am meisten gefährdete Gruppe die der Roma-Gemeinschaft wäre. (Lakatos ist Vorsitzender einer neuen Organisation namens Európai Romák Egyesülete [Verband europäischer Roma], die innerhalb der Minderheit Wahlkampf betreibt, um sie zu einer Teilnahme am Referendum zu verpflichtenden Umverteilungsquoten zu bewegen und dort mit „nein“ zu stimmen – Anm. d. Red.)
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