Zwei Budapester Polizisten durch Explosion verletzt
27. Sep. 2016Kommentatoren weisen verbreitete und einander widersprechende Verschwörungstheorien über eine Explosion zurück, die sich am späten Samstagabend in der Budapester Innenstadt ereignet hatte. Dabei waren zwei Polizeibeamte schwer verletzt worden.
Népszabadság bezeichnet Ungarn als „das Land der zehn Millionen Sicherheitsexperten“, in dem jeder einzelne Bürger bzw. jede einzelne Bürgerin eine vollkommen wasserdichte Erklärung zu den vermeintlichen Urhebern der Explosion parat habe. Einige seien überzeugt, es handele sich um einen Trick der Regierung, um das Wahlvolk eine Woche vor dem Anti-Quoten-Referendum zu mobilisieren. Für andere sei es eine ebenso klar ausgemachte Sache, dass es sich um das Werk migrierender Terroristen handele. Im Leitartikel auf der Titelseite der führenden linken Tageszeitung machen sich die Redakteure über den einwandererkritischen Sicherheitsexperten und ehemaligen deutschen Polizeibeamten Georg Spöttle lustig. (Spöttle hatte im Fernsehen erklärt, dass ähnliche Vorrichtungen in „Auseinandersetzungen der arabischen, nigerianischen und albanischen Mafia sowie von „einem syrischen Täter“ verwendet worden seien – Anm. d. Red.) Vor diesem Hintergrund fragt Népszabadság, wer wohl der Polizei noch Glauben schenken werde, wenn sie herausfände, dass es sich bei dem potenziellen Attentäter um einen einfachen, verrückt gewordenen Fischhändler handele.
Auch Gellért Oláh macht darauf aufmerksam, dass im Internet vorgefertigte Erklärungen kursierten, die entweder die Regierung oder islamistische Terroristen bezichtigen würden. Auf 888 kritisiert Oláh den bekannten liberalen Kommentator Árpád W. Tóta massiv. (Tóta erinnert die Leser seiner Facebookseite an eine Explosion in Moskau im Jahr 1999. Der damalige Ministerpräsident Wladimir Putin hatte diesen Vorfall zum Anlass für Vergeltungsmaßnahmen gegen angebliche tschetschenische Terroristen genommen. So ließ er die Hauptstadt Tschetscheniens Grosny bombardieren. Der Krieg bescherte Putin einen beispiellosen Popularitätszuwachs, der ihm letztendlich das Präsidentenamt einbrachte – Anm. d. Red.) Oláh vergleicht diese Andeutung mit der berühmten Theorie von den Flugzeugen, die gefährliche Kondensstreifen hinterlassen würden – also Chemikalien zur Vergiftung der Menschheit. In einer für einen regierungsfreundlichen Kommentator ungewöhnlichen Randnotiz schreibt Oláh: „László Bogár ist der nächste Wettbewerber.“ (Der Kolumnist von Magyar Hírlap äußert sich regelmäßig über unsichtbare „Hintergrundmächte“, die er hinter den großen Strömungen in Weltpolitik und -geschichte zu erkennen glaubt – Anm. d. Red.)
In Magyar Nemzet macht Szabolcs Szerető Terrorangst sowie das beeinträchtigte Sicherheitsgefühl für die verschiedenen Verschwörungstheorien verantwortlich. Beides habe sich in den vergangenen Monaten und Jahren allmählich in das kollektive Bewusstsein eingeschlichen. Dessen ungeachtet äußert Szerető die Hoffnung, nicht übermäßig naiv zu erscheinen, wenn er niemandem den Versuch unterstelle, in einem innenpolitischen Spiel auf Kosten menschlichen Blutvergießens „die Angst-Karte“ auszuspielen.
Tags: Budapest, Verschwörungstheorien