Amerikanisch-ungarischer Spionagethriller um einen saudischen Geschäftsmann
28. Nov. 2016Zwei linksorientierte Analysten streiten über die Frage, ob der Skandal um die Aufenthaltsgenehmigung für den von Interpol gesuchten Saudi Ghaith Pharaon Teil eines unmoralischen geschäftlichen Ränkespiels sei oder es sich dabei um ein Komplott gegen die ungarische Regierung handele.
In Népszava macht sich Róbert Friss über die Einschätzung von Ministerpräsident Viktor Orbán lustig, wonach die jüngste Visa-Affäre um den saudischen Investor Teil „eines vom amerikanischen Geheimdienst betriebenen Spiels“ sei. (Ghaith Pharaon hatte eine ungarische Aufenthaltsgenehmigung erhalten, obwohl er seit 1992 wegen Schutzgelderpressung, Geldwäsche und Finanzierung terroristischer Aktivitäten von den Vereinigten Staaten gesucht wird. Offenbar besuchte der saudische Geschäftsmann eine Party, bei der er unter anderem auch Ministerpräsident Viktor Orbán als „Professor Pharaon“ vorgestellt wurde. Er erwarb wertvolle Immobilien, darunter ein an das Haus von Orbán grenzendes Gebäude sowie ein weiteres, das ihm von einer dem Schwiegersohn des Ministerpräsidenten gehörenden Firma verkauft wurde. Ranghohe Regierungsvertreter erklärten zu dem Fall, die ungarischen Behörden hätten Pharaon nach internationalen Recherchen und ohne Einwände aus dem Ausland eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. Auf die Anfrage eines sozialistischen Parlamentsabgeordneten riet Orbán dem MSZP-Politiker, er möge „darauf achten, nicht Teil eines vom amerikanischen Geheimdienst betriebenen Spiels zu sein“ – Anm. d. Red.)
Im Folgenden zitiert Friss die US-amerikanische Botschafterin in Budapest, Colleen Bell, die in einem Interview mit dem Fernsehsender ATV gesagt hatte: „Es gibt in dieser Sache keine Spiele. Pharaon ist eine gesuchte Person und es besteht unsererseits die Hoffnung, dass er der Justiz überstellt werden wird.“ Friss äußert die Vermutung, dass die Regierung tiefer und tiefer in ein Netz ungarischer Planspiele statt in das Spiel eines amerikanischen Geheimdienstes verstrickt sei.
In einer auf 444 erschienenen umfangreichen Analyse äußert Zsolt Sarkadi dagegen die Vermutung, dass der Ministerpräsident sehr wohl richtig liegen könnte. Anhand zahlreicher Zitate aus einem Buch über Pharaon und seine Geschäftspartner legt Sarkadi nahe, der saudische Geschäftsmann müsse bereits seit Jahrzehnten ein CIA-Agent sein. Diese Tatsache sei auch der Grund für das Unvermögen der amerikanischen Behörden, ihn festzunehmen. Pharaon habe zu einer Zeit extrem angespannter diplomatischer Beziehungen zwischen Ungarn und den USA ein ungarisches Visum beantragt. (Verschiedenen ungarischen Persönlichkeiten war die Einreise in die USA untersagt, weil sie unter Korruptionsverdacht standen, vgl BudaPost vom 20. Oktober 2014 – Anm. d. Red.)
Der Autor berichtet, er habe die US-Botschaft um Auskunft darüber gebeten, ob es stimme, dass die Behörden Ungarns vor der Ausstellung des Visums an den saudischen Geschäftsmann die amerikanische Seite konsultiert hätten. Die Botschaft habe eine Stellungnahme abgelehnt. Sarkadi hält es für „naiv anzunehmen, dass die amerikanische Seite während dieser Monate des Clinches mit der ungarischen Regierung nicht ihre Geheimdienste eingeschaltet hat“. Doch selbst wenn dieser Fall ein abgekartetes Spiel gewesen sein sollte, hätten – so Sarkadi – die ungarischen Geheimdienste einen riesigen Fehler gemacht, weil sie diese Person in die Nähe des Ministerpräsidenten hätten kommen lassen – und zwar mittels eifriger Leute aus seinem Umfeld, die leichtsinnigerweise in die Falle getappt seien.
Tags: Geheimdienste, Ghaith Pharaon, Ungarisch-amerikanische Beziehungen, Visa-Affäre