Die „Soros-Uni“ CEU wird bleiben
6. Feb. 2017Ein Wochenblatt mutmaßt, dass frühere Vereinbarungen über den Budapester Standort der liberalen Central European University (CEU) nach dem Wahlsieg Donald Trumps möglicherweise hinfällig sein könnten. Der Rektor der Hochschule reagierte auf diese Spekulationen mit dem Hinweis, dass die Beziehungen zur Regierung zufriedenstellend seien. Eine der Regierung nahestehende Historikerin sieht die CEU äußerst kritisch, betrachtet aber ihre Anwesenheit als Beleg für eine lebendige Demokratie in Ungarn.
In ihrem gemeinsamen Artikel für Figyelő fragen sich Zoltán F. Baka und Edit Inotai, ob die Central European University weiterhin in Budapest beheimatet bleiben werde, repräsentiere sie doch von der Regierung für schädlich erachtete äußerst radikal-liberale Ansichten. Universitätsgründer ist der ungarisch-amerikanische Investment-Tycoon George Soros, dessen Stiftung zahlreiche in Ungarn sowie weltweit tätige NGOs unterstützt, darunter auch solche Wächter-Organisationen, die Regierungen regelmäßig aus liberaler Perspektive kritisieren . Aufgrund dessen, so die beiden Autoren, sei Soros in jüngster Vergangenheit in verschiedenen Ländern ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Auch Donald Trump habe ihm vorgeworfen, eine weltweite Struktur errichtet und das Geld der Arbeiterklasse zur Unterstützung des Big Business gestohlen zu haben.
Unter Hinweis auf namentlich nicht genannte Quellen behaupten Baka und Iontai, die CEU könnte in naher Zukunft ins Fadenkreuz einflussreicher Leute geraten, die die Einrichtung lieber in ein anderes Land verfrachten würden. Vor allem sei die Regierung über die innerhalb der CEU vertretenen Identitätspolitik irritiert. Das Autorenpaar glaubt zu wissen, dass sich Soros und Viktor Orbán bei einem Treffen im vergangenen Sommer auf einen Verbleib der Universität in Budapest verständigt hatten. Allerdings spekulieren sie, dass die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA die Sachlage verändert haben könnte, da die ungarische Regierung nunmehr keine massiven Vergeltungsmaßnahmen aus Washington mehr befürchten müsste, solle sie sich der CEU entledigen wollen. Baka und Inotai berichten aber auch über ein alternatives Szenario. Demnach würden – anstatt die CEU aus Budapest zu verjagen – regierungsnahe Kräfte eine internationale Konkurrenzuniversität gründen.
In einer unmittelbaren Antwort auf den Figyelő-Artikel wandte sich Michael Ignatieff, Vorstand und Rektor der Central European University, an den Chefredakteur des Wochenmagazins. In seiner in Form eines offenen Briefes verfassten Stellungnahme heißt es, einige der im Artikel enthaltenen Vorwürfe und Annahmen seien unsinnig. Weiter beschreibt Ignatieff die Bedeutung seiner Universität für Ungarn als eine Institution, die knapp zehn Milliarden Forint jährlich im Lande ausgebe und zahlreiche Ungarn beschäftige.
Der Rektor verweist zudem darauf, dass es sich bei der CEU weder um eine politische noch um eine Nichtregierungsorganisation handele, die bestimmte – möglicherweise umstrittene – Ziele verfolge. Es gehe um Bildung und ausschließlich um Bildung, und zwar in Zusammenarbeit mit verschiedenen ausländischen Partneruniversitäten, unterstreicht Ignatieff und dementiert vehement die Annahme, dass die Zukunft seines Hauses gefährdet sei. Abschließend betont der CEU-Chef, dass seine Universität in den vergangenen 25 Jahren „professionelle Arbeitskontakte“ zu sämtlichen einander ablösenden Regierungen Ungarns unterhalten habe, „darunter auch die aktuelle Regierung“. Diese guten Beziehungen würden auch in Zukunft weiterhin aufrechterhalten bleiben, so die Erwartung des CEU-Rektors.
Die Historikerin Mária Schmidt erkennt in der Art und Weise, wie Ignatieff die Mission seiner Universität beschreibt, krasse Ungereimtheiten. Schmidt, die seit Anfang Dezember 2016 unter anderem auch Haupteigentümerin von Figyelő ist, äußert sich dazu auf Látószög. Gemäß den Leitlinien der CEU bemühe sich die Universität um die Vermittlung der Prinzipien einer offenen Gesellschaft. Die Studenten würden diese Werte dann nach ihrer Rückkehr in ihre jeweiligen Heimatländer in die Praxis umsetzen. Dies widerspräche allerdings massiv den Worten Ignatieffs, wonach seine Universität keinerlei politische Ziele verfolge. Ja mehr noch: In einer Rede, in der Ignatieff sein eigenes Programm für die CEU umrissen habe, habe der Rektor höchst persönlich die Rolle seiner Universität mit ganz anderen Begriffen beschrieben: Für die CEU sei das Eintreten für einen Geist der Offenheit und für offene Grenzen niemals so wichtig gewesen wie jetzt, „da politische Kräfte Wut und Ausgrenzung proklamieren“.
Für Schmidt sind das zu tiefst politische Erwägungen. Und so behauptet die Autorin, dass die CEU „der Außenposten von George Soros in Ungarn“ sei. In den 1980er Jahren sei sie über einen Zeitraum von drei Jahren Soros-Stipendiatin gewesen, als sie über die Geschichte des ungarischen Judentums im 20. Jahrhundert geforscht habe und die Stiftung „nicht nur Kommunisten unterstützte“. Nunmehr bemühe sich Soros um einen Sturz von US-Präsident Trump, „hat aber ähnliche Versuche auch in Ungarn unternommen“. Dass ihm das auch weiterhin gestattet werde, so schlussfolgert Schmidt, sei ein Beweis für die Stärke der ungarischen Demokratie.