Dreistimmiger Ruf nach einem föderalen Europa
6. Mar. 2017Ein regierungsnaher Analyst charakterisiert die neuerliche Forderung nach einem föderalen Europa als eine verzweifelte Reaktion auf den Brexit, die den dominierenden Trends in der europäischen Politik zuwiderläuft.
Tamás Lánczi, neuer Chefredakteur von Figyelő und gleichzeitig führender Analyst der regierungsnahen Denkfabrik Századvég, glaubt, dass Föderalisten einen hohen Einsatz riskierten, um die gegenwärtigen Probleme der europäischen Integration zu überwinden. (Die Parlamentspräsidenten von Italien, Deutschland und Luxemburg hatten einen offenen Brief mit der Forderung nach einer noch engeren Zusammenarbeit in Form Vereinigter Staaten von Europa verfasst – Anm. d. Red.) Lánczi erinnert daran, dass die EU-Staaten vor zehn Jahren – zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge, die die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft markierten – eine engere unionsinterne Zusammenarbeit geforderten hätten, was schließlich zum Vertrag von Lissabon geführt habe. Mit dessen Hilfe habe sich die Union in ihren Entscheidungsprozessen neu organisiert, um sich an die Gegebenheiten nach dem Beitritt von einem Dutzend neuer Mitglieder anzupassen.
Das seither vergangene Jahrzehnt habe enorme Veränderungen gebracht, die eher Zerfalls- statt Einheitstendenzen befördert hätten, fährt der Analyst fort. Tatsächlich hätten es die aktuellen EU-Institutionen beispielsweise nicht vermocht, angemessen auf Wirtschaftskrisen, Stagnation oder den Migrationsnotstand sowie den Konflikt mit Russland zu reagieren. Eine Reihe von in Mitgliedsländern abgehaltenen Referenden – darunter in den Niederlanden zum Freihandelsabkommen mit der Ukraine, der Brexit, das ungarische Quotenreferendum oder das Referendum zur ursprünglich geplanten italienischen Verfassungsreform – seien beredter Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem vorherrschenden europäischen Führungsstil. Die erstarkten Kräfte der Unzufriedenheit lehnten alle eine enger gestaltete Union ab – ganz zu schweigen von einem föderalen paneuropäischen Staat, so Lánczis Fazit.
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