Ungarns oscarprämierter Kurzfilm in der Kritik
6. Mar. 2017Ein der Regierung nahestehender Analyst weist liberale Interpretationen zurück, die „Sing“ (Mindenki) als eine Beschreibung des gegenwärtigen, von arroganten Manipulatoren regierten Ungarns feiern. Sein unabhängiger Widerpart erkennt die Vorzüge des von der gegenwärtigen Regierung eingeführten Filmförderungssystems an.
In seinem wöchentlichen Leitartikel für Demokrata gesteht András Bencsik seine Antipathie gegen die Geschichte von „Sing“ ein. (Der Film handelt von einem Schulchor, in dem die Musiklehrerin auch solche Kinder mitmachen lässt, deren Stimmen sie für nicht gut genug erachtet. So verlangt sie von ihnen, nur so zu tun, als ob sie singen würden. Sie bewegen also lediglich ihre Lippen, ohne einen Ton von sich zu geben. Die Kinder bekommen mit, dass einige von ihnen so behandelt werden, und rebellieren daraufhin – Anm. d. Red.) Der Chefredakteur der Wochenzeitschrift kann nicht verstehen, warum die Musiklehrerin Kinder benötigten sollte, die für den Chor ungeeignet sind, nur um sie stumm zu halten. Und so lehnt er das Ende der Geschichte mit den aufbegehrenden kleinen Sängern als kindisch ab. Besonders verurteilt Bencsik Pressekommentare, in denen der Film als Sinnbild der gegenwärtigen Situation in Ungarn dargestellt wird, für die ein Aufstand die einzige Lösung sei. Aus einem politisch korrekten Blickwinkel betrachtet, so Bencsik polemisch, sei eine Lehrerin, die gute Sänger für ihren Chor begehre, eine Despotin und, allgemeiner gesprochen, das Streben nach Qualität mit Faschismus gleichzusetzen.
Im Kommunismus seien Sport und Filme von der Regierung als vermeintliche Instrumente regimekonformer Propaganda reichlich gefördert worden, erinnert Heti Válasz-Chefredakteur Gábor Borókai. Nach der Wende hätten sich sowohl der Sport als auch die Kinematographie plötzlich dem Markt ausgeliefert gesehen – mit in der Konsequenz nachlassendem Erfolg. Das Kabinett Orbán habe sie unter staatliche Kontrolle gebracht und Regierungspolitiker auf führende Posten bei Sportverbänden – vom Ringen bis zum Handball – gesetzt. Die verfügten jedoch nicht über eine allzu große Expertise, ganz im Gegensatz zum neuen Regierungskommissar für die Filmindustrie, den ungarisch-amerikanischen Produzenten Andy Vajna. Dessen System sei von Filmschaffenden heftig abgelehnt worden, habe aber allmählich Weltklasseerfolge hervorgebracht, darunter erste Preise in Cannes, Berlin, Karlovy Vary und Hollywood.
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