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Jobbik-Abgeordnete schlägt bedingtes Wahlrecht vor

7. Aug. 2017

Dieser Tage hat eine prominente Jobbik-Parlamentarierin angeregt, dass Personen ohne erfolgreichen Abschluss der achten Klasse künftig nicht mehr zu Wahlen zugelassen werden sollten. Diesbezüglich vertreten verschiedene Kommentatoren die Ansicht, dass ein solcher Vorschlag in modernen Zeiten realitätsfremd erscheine. Allerdings ließe sich daran auch erkennen, wie weit es um die De-Radikalisierung der Partei, also ihr Streben Richtung politischer Mitte, tatsächlich bestellt sei.

Róbert Friss von der linksorientierten Tageszeitung Népszava hegt Zweifel, ob es sich bei dem Vorschlag der Abgeordneten und Vorsitzenden des parlamentarischen Kulturausschusses Dóra Dúró um eine persönliche Initiative handele, oder ob Jobbik in ihrer Gesamtheit hinter ihr stehe. (Dúró ist die Ehefrau von Előd Novák, der im vergangenen Jahr seinen Posten als Vizechef der Partei sowie sein Parlamentsmandat hatte aufgeben müssen. Novák hatte sich zuvor dezidiert gegen den Jobbik-Schwenk Richtung politischer Mitte ausgesprochen. Dúró macht nun geltend, dass die Idee eines von der Schulbildung abhängenden Wahlrechts Teil des Wahlprogramms ihrer Partei sei – Anm. d. Red.) Der Anspruch von Jobbik auf Seriosität müsse in jedem Fall mit aller Vorsicht genossen werden, empfiehlt Friss. Er räumt zwar ein, dass die Bildungslücke zwischen „der Elite“ und „dem Volk“ in modernen Demokratien ein großes Problem darstelle, es jedoch durch eine Erhöhung des allgemeinen Bildungsniveaus der Bevölkerung gelöst werden sollte. Friss wirft der Regierungspartei vor, die Bildung der Ärmsten in Ungarn – vor allem der Zigeuner – zu vernachlässigen.

In Magyar Hírlap macht Dániel Kacsoh darauf aufmerksam, dass, sollte der Vorschlag Dúrós vom Parlament verabschiedet werden, dies einen Prozess auslösen dürfte, an dessen Ende der Ausschluss Ungarns aus der Europäischen Union stehen würde. Aber natürlich werde dies angesichts der fehlenden parlamentarischen Zustimmung seitens der anderen Parteien nicht geschehen. Es sei allerdings doch eigenartig, dass eine derartige rechtsradikale Anregung in Zeiten laut werde, in denen Jobbik und Linksliberale gemeinsam Front machten gegen Pläne der Regierung zur Schaffung eines besonderen Gerichtssystems für Einsprüche gegen Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung. Sie kritisierten unisono die Idee, dass Bewerbungen aus den Reihen von Beamten höher eingestuft würden als diejenigen von Gerichtssekretären, was dazu führen würde, dass Regierungsangestellte leichter zu Richtern an Verwaltungsgerichten berufen werden könnten. Dúrós Vorschlag erinnere an Zeiten, als Jobbik eine Büste des Zwischenkriegsregenten Miklós Horthy enthüllt und paramilitärische Verbände durch spannungsgeladene Wohngebiete geführt habe. Es sei schon recht eigenartig, so Kacsóh, dass liberale Menschenrechtler, die gewöhnlich keine Gelegenheit für Kritik an der Regierung ausließen, nunmehr stumm blieben. Einzig die Regierungsparteien hätten sich ablehnend geäußert.

Tamás Pindroch stellt in der Wochenzeitung Figyelő klar, dass der Vorschlag der Abgeordneten Dúró gegen Roma gerichtet sei, in deren Reihen die Schulabbrecherquote deutlich über dem Durchschnitt liege. Doch auch vielen Nicht-Roma würde damit das Wahlrecht entzogen, konstatiert Pindroch. Das, so der Autor, widerspreche der Jobbik-Behauptung, man sei eine auf nationale Einheit orientierte Partei. Pindroch wendet sich an bekannte Menschenrechtsaktivisten und prominente, ein Wahlbündnis zwischen Linken und Jobbik befürwortende Vertreter der einstigen liberalen Partei mit der Frage, warum sie sich angesichts eines derartigen Vorschlages in Schweigen hüllen würden, offenbare er doch, was sich hinter den gegenwärtig von Jobbik zur Schau gestellten „lächelnden Masken“ in Wahrheit verberge. Findet ihr Jobbik noch immer putzig?, fragt er die Angesprochenen.

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