15. März – Beginn der heißen Wahlkampfphase
19. Mar. 2018Die politischen Beobachter analysieren weiterhin die Rede von Ministerpräsident Viktor Orbán zum 170. Jahrestag der 1848er Revolution und bewerten die Chancen der fragmentierten Opposition bei den bevorstehenden Parlamentswahlen.
Attila Kálmán konstatiert auf 24.hu, dass die Anhänger der Regierung erstmals seit vielen Jahren dem möglichen Ausgang der nächsten Parlamentswahlen mit Sorge entgegensähen. Kálmán, der sich nach eigenen Angaben mehrere Stunden lang unter die vor dem Parlamentsgebäude versammelten Zig-Zehntausende von Regierungsanhängern gemischt hatte, berichtet von einer düsteren Stimmung. Häufig seien Kundgebungsteilnehmer auf jüngst von der Tageszeitung Magyar Nemzet veröffentlichte Dokumente zu sprechen gekommen. (Aus ihnen geht hervor, dass unbekannte Personen den für die Entwicklung von Großstädten zuständigen Minister Lajos Kósa eine undurchsichtige Vollmacht zur Verwaltung eines riesigen Geldbetrags ausgestellt hatten – Anm. d. Red.) Zwar habe sich anscheinend nichts Konkretes aus dieser Angelegenheit ableiten lassen, dennoch scheine diese jüngste Episode in einer ganzen Serie von Korruptionsvorwürfen diejenigen Menschen beunruhigt zu haben, die sich als Zuhörer der Rede Orbáns versammelt hätten, notiert Kálmán.
Der Ministerpräsident habe außer Drohungen an die Adresse seiner Gegner nichts weiter zu sagen, lautet der auf 444 erhobene Vorwurf von Péter Magyari. (Unter Verweis auf die Korruptionsvorwürfe gegen seine Kollegen hatte Orbán auf der Kundgebung anlässlich des 15. März geäußert, dass er sich mit diesen Anschuldigungen nicht während des Wahlkampfes befassen werde. Vielmehr werde er nach dem Urnengang „politisch, moralisch und juristisch abrechnen“ – Anm. d. Red.) Magyari versteht diesen Satz als Androhung von Vergeltungsmaßnahmen an politischen Gegnern.
In den Augen des Politologen Gábor Török hat der Ministerpräsident mit seinem Spruch von einer nach den Wahlen stattfindenden „Abrechnung“ mit seinen Widersachern einen Fehler begangen. Er habe nämlich die genaue Bedeutung seiner Aussage nicht weiter erläutert. Folglich gäbe dieser Satz seinen Gegnern die Möglichkeit, ihm undemokratische Absichten zu unterstellen. Andererseits, so fährt Török fort, hätten die Zehntausende von „Friedens-Marschierern“, die später gemeinsam mit Viktor Orbán als Hauptredner an der Kundgebung für dessen Regierung teilgenommen hätten, in der Tat eine eindrucksvolle Machtdemonstration dargeboten. Dabei habe es sich um eine überzeugende Reaktion auf die in den letzten Wochen gegen die Regierung erhobenen Korruptionsvorwürfe gehandelt. Allerdings kritisiert Török die Wahlkampfbotschaft des Ministerpräsidenten als zu einseitig ausgerichtet. So gehe es einzig und allein um ein internationales, von George Soros-NGOs gefördertes Projekt zur Überflutung Europas mit Einwanderern. Hingegen sage die Regierung nichts über ihre positiven Errungenschaften der zurückliegenden acht Jahre, bemängelt der renommierte Politikwissenschaftler.
Im Gegensatz dazu schreibt Péter Farkas Zárug in der Printausgabe der Tageszeitung Magyar Idők, dass sich eine verantwortungsvolle Regierung stets auf die entscheidenden Fragen ihrer Zeit konzentrieren müsse. In diesem Sinne bezeichnet er die Rede des Ministerpräsidenten als äußerst wirkungsvoll. Dieselben Worte hätte vor 20 Jahren auch der Schriftsteller István Csurka formulieren können. (Csurka war ein dem Westen gegenüber kritisch eingestellter und politisch rechts ausgerichteter Rivale des Fidesz, der sich 1998 mit der starken linksliberalen Regierung einen harten Kampf um den Wahlsieg geliefert und schließlich auch gewonnen hatte – Anm. d. Red.) Was den vielfach kritisierten Satz Orbáns über eine „Abrechnung“ mit seinen Gegnern betrifft, so sagt Zárug voraus, dass seine Bedeutung bis nach den Wahlen völlig offen bleiben werde.
Auf Mandiner schlussfolgert Kristóf Trombitás, dass sich die Regierungsseite vom Schock der durch einen gemeinsamen Oppositionskandidaten gewonnenen Bürgermeisternachwahl in Hódmezővárhely erholt habe. Seitdem würde den von ihren Führern klare Hinweise erwartenden Oppositionsanhängern von diversen Parteivorsitzenden lediglich eine kakophone Mischung aus einander widersprechenden Botschaften präsentiert. Sie verhindert laut Trombitás die Erkenntnis, ob sich alle Oppositionskräfte gegen die amtierende Regierung vereinen wollten oder nicht.
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