Wochenzeitungen zum Wahlausgang
16. Apr. 2018In ihren ersten Ausgaben nach der Wahl vom 8. April zeichnen die fünf landesweit erscheinenden oppositionsnahen Wochenzeitungen ein deprimierendes Bild der Zukunft Ungarns, während die beiden regierungsfreundlichen Konkurrenzblätter konstatieren, dass der grandiose Sieg der Regierungsseite sie mit einer beispiellose Legitimität ausstatte.
Figyelő bezeichnet den dritten Sieg der Regierenden in Folge als ein Ergebnis, das die Vorstellungen überroffen habe. Aus der Auszählung sämtlicher Wahlzettel habe sich ergeben, dass die Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán über fünfzig Prozent der Stimmen erhalten habe, was Klagen über das Wahlsystem irrelevant mache, schreibt die regierungsnahe Wochenzeitung.
András Bencsik vermerkt in seinem Demokrata-Leitartikel, dass außerhalb der Hauptstadt Budapest die Opposition von rechts und links lediglich in drei urbanen Wahlkreisen gewonnen habe. In ihren nationalen Milieus lebende Menschen würden ihre nationalen Traditionen mehr schätzen als ihre städtisch geprägten Landsleute, die eher von modischen Ideen beeinflusst seien, notiert der Publizist.
In Élet és Irodalom vertreten die Politologen Attila Juhász und Péter Krekó die Auffassung, dass die politischen Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen kein spezifisch ungarisches Phänomen seien. Vielmehr ließen sie sich überall dort beobachtet, wo der „Rechtspopulismus“ seinen Einfluss verstärkt habe. Die beiden Experten erinnern daran, dass der Ausgang der Brexit-Abstimmung in Großbritannien sowie der Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten von den Wählern auf dem Lande sowie den älteren Menschen entschieden worden sei.
Magyar Narancs regt an, dass die Oppositionsparteien die parlamentarische Arbeit boykottieren sollten, da sie angesichts der Zweidrittelmehrheit der Regierungsabgeordneten nicht in der Lage sein dürften, politischen Einfluss auszuüben. Ihre Teilnahme würde lediglich dazu beitragen, den Anschein von Demokratie aufrechtzuerhalten, heißt es im regierungskritischen Wochenmagazin. Die Oppositionsparteien sollten vor einer Rückkehr ins Parlament ein neues Wahlgesetz und andere Verfassungsänderungen fordern. Übrigens könnten die nächsten Wahlen in vier Jahren nur dann zu einem anderen Ergebnis führen, wenn ausschließlich eine einzige Oppositionspartei Ministerpräsident Orbán herausfordern würde, unterstreicht Magyar Narancs.
Der ehemalige liberale Abgeordnet und Gründer des ungarischen Helsinki-Komitees, Ferenc Kőszeg, geht davon aus, dass die Wahl das Schicksal Ungarns für zwei Generationen entschieden habe. In Heti Világgazdaság schreibt Kőszeg: Die Ergebnisse der letzten beiden Urnengänge bildeten einen Beleg dafür, dass Ungarn zu seiner historischen Tradition zurückgekehrt sei, derzufolge das Land auf ewig von einer riesigen Herrscherpartei mit dem Anstrich eines Mehrparteiensystems regiert werde.
Von Heti Válasz wird der dritte Triumph der Regierungsseite hintereinander auf die Schwächen der Opposition zurückgeführt. Ministerpräsident Viktor Orbán sei ein Politiker europäischen Ranges und habe sich bisher noch keinem vergleichbaren Herausforderer stellen müssen, notiert der Chefredakteur des Wochenblattes, Gábor Borókai. Dennoch habe die Hälfte des Wahlvolkes für diese „zusammengewürfelte“ Opposition gestimmt. Der gegen eine massenhafte Einwanderung polemisierende Wahlkampf der Regierung habe sich gegen die von der Opposition geführte Antikorruptionskampagne durchgesetzt, schreibt Borókai, macht den Sieger jedoch darauf aufmerksam, dass er der gesamten Bevölkerung dienen sowie die Abwanderung weiterer Menschen verhindern müsse.
Für Zoltán Vasali ist es eine Überraschung, dass das Wahlergebnis die Opposition unvorbereitet erwischt habe. Die Erklärung dafür sei, dass sie in einer Informationsblase leen und die öffentliche Stimmung ignorieren würden, so der Politologe in 168 Óra. Vasali missbilligt solche Oppositionspolitiker, die die Landbevölkerung verachten würden – eine Bevölkerung, die der Regierung ihre Anti-Soros- und Anti-Migranten-Kampagne abgekauft habe. Sie sollten nicht in ihren eigenen Reihen nach Schuldigen suchen, sondern stattdessen versuchen, sich mit Blick auf die Zukunft zu erneuern.
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