Das Ende des politischen Wechselspiels
3. Jul. 2018Ein in der politischen Mitte beheimateter Politologe macht die Linke selbst für ihre traurige Misere verantwortlich. Ungarn sei in den letzten 150 Jahren stets über Jahrzehnte von einer dominierenden Partei regiert worden. Die Linke habe ihre Chance verpasst, sich zu einer solchen zu entwickeln. Dem Fidesz hingegen sei es gelungen, die Lücke auszufüllen.
Auf der Internetpräsenz von Heti Világgazdaság (HVG) weist der Politikwissenschaftler Ervin Csizmadia Erklärungsversuche der Opposition zu den Ursachen ihres Scheiterns zurück. Während der ersten 15 Jahre im demokratischen (Nach-Wende-)Ungarn seien Wahlen gewöhnlich von der Opposition gewonnen worden. Vor diesem Hintergrund hätten Analysten die Ansicht vertreten, dass der Wechsel Standard sei. Nach dem Sieg der Partei von Viktor Orbán in drei aufeinanderfolgenden Wahlen beschuldige die Linke den Fidesz, er habe den Fortgang dieses Wechselspiels unmöglich gemacht. In Wahrheit, so erläutert Csizmadia, habe sich der Fidesz um den Aufbau einer großen Partei bemüht, die über die Fähigkeit zum Wahlsieg verfüge. Die Linke hingegen – früher von einer großen sozialistischen Partei dominiert – sei mittlerweile in eine Vielzahl von mittelgroßen und Mini-Parteien zerfallen. Unter solchen Bedingungen mag es tröstlich sein, dem Fidesz Autoritarismus vorzuwerfen. Tatsächlich jedoch sei es selbstzerstörerisch, denn es erkläre nicht, weswegen all dies in dieser Weise geschehe.
Um ihr Schicksal zu wenden, sollte die Linke nach Ansicht Csizmadias erkennen, dass zur politischen Tradition Ungarns eine über lange Zeiträume dominierende große Partei gehöre. Zunächst hätten die Wähler versucht, in der MSZP diese große Partei zu finden. 2006 hätten die Sozialisten einen bahnbrechenden zweiten Sieg in Folge erringen können, dann jedoch das Wahlvolk getäuscht, das daraufhin die Seiten gewechselt und sein Vertrauen dem Fidesz geschenkt habe. Um die Krankheit der Linken zu kurieren, müsse sie anfangen, sich den Sieg zu wünschen, sich zu einer ansehnlichen Partei zusammenschließen und eine starke Führungspersönlichkeit finden, anstatt zu erwarten, dass der Westen den Fidesz stürze, rät der Politikwissenschaftler abschließend.
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