Ex-Premier Gyurcsány scheitert mit Dauerdemo
22. Sep. 2018Linke wie liberale Kommentatoren gleichermaßen bezeichnen eine vermeintlich öffentlichkeitswirksame Aktion des ehemaligen ungarischen Regierungschefs Ferenc Gyurcsány als ausgesprochen peinlich und kontraproduktiv.
Bereits am Donnerstag – und damit vorzeitig – beendete der einstige sozialistische Ministerpräsident die in Budapest als Dauerdemonstration geplante Aktion. Ursprünglich sollte sie nach Angaben Gyurcsánys bis zum Rücktritt der Regierung andauern (siehe BudaPost vom 19. September). Verschiedenen Berichten zufolge wurde die dreitägige Versammlung lediglich von ein paar hundert Teilnehmern besucht.
László Szily vom Internetnachrichtenportal 444 findet die Initiative beschämend. Zwar pflichtet der liberale Autor der Ansicht des ehemaligen Ministerpräsidenten Gyurcsány bei, wonach die Regierung Orbán eine Bedrohung für die Demokratie darstelle. Dessen ungeachtet hält er es jedoch für absurd, dass derlei regierungskritische Vorwürfe von einem Ex-Premier erhoben würden, der die demokratischen Normen keineswegs respektiert habe. Szily erinnert daran, dass während des Protestes ein Fass mit einem Orbán-Porträt aufgestellt wurde, das die Demonstranten malträtieren konnten/sollten. Es wäre angemessener gewesen, diese peinliche Aktion Gyurcsánys in einer Dorfkneipe zu inszenieren, echauffiert sich Szili.
Auch Gáspár Miklós Tamás ist empört. In einem Beitrag für Heti Világgazdaság schreibt der marxistische Philosoph: Die Opposition, die von sich behaupte, sie verteidige demokratische Werte, sei mittlerweile genauso unmenschlich und aggressiv geworden wie die Regierung. Tamás interpretiert die Aktion mit dem Bild von Ministerpräsident Orbán als „symbolisches Lynchen“. Die Oppositionsparteien seien zu einem Sieg über den Fidesz nicht fähig, urteilt Tamás und schreibt dem Initiator des Protestes noch ins Stammbuch: Der ehemalige Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány würde der Opposition einen großen Gefallen tun, wenn er sich aus der Politik zurückzöge.
László Haskó bezeichnet es als traurige, aber auch unbestreitbare Tatsache, dass Ferenc Gyurcsány noch immer der einzige potenzielle Herausforderer dessen sei, was er als „die Orbán-Tyrannei“ bezeichnet. Der Kommentator der linken Tageszeitung Népszava beschreibt den Vorsitzenden der Demokratischen Koalition als charismatische Führungspersönlichkeit, schränkte aber dennoch ein, dass Gyurcsány Ministerpräsident Orbán in naher Zukunft kaum mit Aussicht auf Erfolg herausfordern dürfte. Die in der Vergangenheit von Regierungschef Gyurcsány begangenen Fehler würden nicht vergeben – nicht einmal von den Sympathisanten der Opposition. Man müsse auch hinterfragen, dass Gyurcsány demokratische Normen mit Hilfe von Straßenprotesten verteidigen wolle, die doch eher ein Instrument radikaler Revolutionäre seien, moniert Haskó.
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