Allianz von Linken und Jobbik unter Beschuss
18. Feb. 2019Sowohl der ungarische Regierungschef als auch der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (JWC) haben sich bestürzt über das mögliche Zustandekommen eines Wahlbündnisses von Linken und Liberalen mit Jobbik geäußert. Vor diesem Hintergrund hinterfragen verschiedene Kommentatoren die Chancen einer solchen Zusammenarbeit.
In seiner Rede zur Lage der Nation Anfang dieses Monats hatte Ministerpräsident Viktor Orbán die Annäherung zwischen der Sozialistischen Partei und Jobbik als einen Fall von „politischer Pornografie“ bezeichnet. Zugleich verurteilte JWC-Präsident Ronald Lauder diejenigen Spitzenpolitiker der Linken, die eine Zusammenarbeit mit Jobbik ins Auge fassen würden, obwohl sich die ehemals rechtsextreme Partei bislang nicht eindeutig von ihrem einstigen Antisemitismus distanziert hat.
In einem Leitartikel für das regierungsnahe Wochenmagazin Figyelő notiert der Politologe Tamás Lánczi, die Angelegenheit um das mögliche Links-Rechts-Bündnis sei einer der drei Punkte gewesen, die Ministerpräsident Viktor Orbán letzte Woche für sich habe verbuchen können. Beim ersten habe es sich um seinen „Babyboom-Plan” gehandelt, den der Autor als eine Alternative zur Pro-Immigrationspolitik interpretiert, mit deren Hilfe die vom Bevölkerungsrückgang in Europa gerissene Lücke geschlossen werden solle.
Der zweite Punkt für Orbán sei der Besuch von US-Außenminister Mike Pompeo gewesen, denn laut Lánczi habe sich herausgestellt, dass Washington das Streitthema Central European University keineswegs als „Kardinalfrage“ betrachte. Das Treffen Pompeos mit NGOs, denen „eine Zugehörigkeit zum Soros-Netzwerk zugeschrieben wird“, sei „mehr als alles andere“ vor allem eine Geste gegenüber der demokratischen Mehrheit im Senat gewesen. Mit Blick auf die erwähnte Stellungnahme Lauders fragt sich Lánczi, was der Präsident des Jüdischen Weltkongresses wohl vom linken Kandidaten für das Amt des Budapester Oberbürgermeisters halten würde, der gegenüber einem Fernsehreporter geäußert hatte: Die Zusammenstellung von Listen jüdischer Menschen sei im Rahmen der Politik keineswegs antisemitisch.
(Gefragt, ob er die Unterstützung Jobbiks bei seiner Kandidatur für das Amt des Budapester Oberbürgermeisters akzeptieren würde und ob er die vor sechs Jahren vom Jobbik-Vizevorsitzenden Márton Gyöngyösi gegebene Empfehlung, „jüdische Abgeordnete, die ein nationales Sicherheitsrisiko darstellen, sollten einer genauen Überprüfung unterzogen werden“, als nationalsozialistisch motivierte Einlage bezeichnen würde [Gyöngyösi meinte Abgeordnete mit ungarisch-israelischer Doppelstaatsbürgerschaft], sagte Gergely Karácsony, dass eine solche Anregung „nicht nationalsozialistisch an sich“ sei. Später entschuldigte er sich für diese Äußerung und erklärte, dass er „einen schweren Fehler“ begangen habe – Anm. d. Red.)
In Demokrata schreibt Péter Bándy, dass der Vorgang dem „großen Traum der Opposition“, sich zu vereinen und dem Fidesz geschlossen gegenüberzutreten, ein Ende bereitet habe. Angesichts des in Ungarn gültigen Mehrheitswahlrechts könne die Opposition kaum auf einen Sieg über den Fidesz hoffen, solange sie gespalten sei. Zudem hätten die Linken Jobbik im vergangenen Jahr immer deutlicher an ihrer Seite akzeptiert, vor allem bei den Protestkundgebungen vom Dezember. Dabei sei der Antisemitismusvorwurf von jeher eine wichtige Waffe der linken Opposition gegen konservative Regierungen gewesen, was aber offenkundig nicht im Widerspruch zur Akzeptanz von Jobbik als Bündnispartner bei Wahlen stehe. Bándy glaubt, dass sich keines der beiden Elemente des letztjährigen „Masterplans“ der Opposition realisieren werde. Mit anderen Worten: Jobbik und die Linke dürften sich im Mai getrennt um Mandate im Europäischen Parlament bewerben und es werde im kommenden Herbst auch keinen gemeinsamen Budapester OB-Kandidaten geben, ist Bándy überzeugt.
Zoltán Lakner vom Wochenjournal 168 Óra erinnert daran, dass bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr etwa jeder vierte Jobbik-Wähler in für die eigene Partei aussichtslosen Wahlkreisen seine Stimme linken Kandidaten geliehen habe, während linke Wähler sogar noch stärker bereit gewesen seien, sich entsprechend erkenntlich zu zeigen. In der Folge sei die Unterstützung für die Sozialistische Partei in mehreren ländlichen Regionen unter zehn Prozent gesunken. Das Problem besteht laut Lakner darin, dass die Sozialistische Partei durch solche Wahlbündnisse ganz aus den ländlichen Gebieten verschwinden könnte. Anders ausgedrückt sei Jobbik nicht nur ein potenzieller Verbündeter, sondern auch ein Konkurrent der Linken. Der Fidesz verdanke seine drei aufeinander folgenden Wahlsiege der Spaltung innerhalb der Opposition und die Annäherung zwischen der Linken und Jobbik stelle eine potenzielle Bedrohung für die langfristige Dominanz der Regierungspartei dar. Andererseits glaubt Lakner, dass die Linke nicht ernsthaft mit Jobbik zusammenarbeiten könne, ohne dass Letztere sich von einer Politik der Ausgrenzung distanziere. Aber selbst wenn man diese Schwierigkeiten außer Acht ließe, ist für den Autor nicht ausgemacht, ob eine solche seltsame Koalition nicht „dauerhafte Spuren in der ohnehin schon deformierten politischen Landschaft Ungarns hinterlassen wird“.
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