Wochenpresse zu den Europawahlen
13. May. 2019Zwei Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament befassen sich mehrere Wochenzeitschriften mit den möglichen Ergebnissen des Urnengangs und denken darüber nach, ob der Fidesz nach dem 26. Mai Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP) bleiben oder sich stattdessen einer radikaleren Rechtsfraktion anschließen werde.
Offenkundig seien sich die Menschen gerade einmal zwei Wochen vor der Wahl nicht bewusst, was Ende Mai auf dem Spiel stehe, klagt Szabolcs Szerető in Magyar Hang. Mit Blick auf die jüngsten Meinungsumfragen dürfte es wohl nur um die Frage gehen, ob der Fidesz eher um die 50 oder um die 60 Prozent erreichen werde. Die Demonstrationen der Opposition gegen die jüngste Arbeitsgesetzgebung seien vor Monaten abgeebbt, ohne dass die Zahl regierungskritischer Wähler zugenommen habe. Szerető bezeichnet die Wahlen als frei, aber nicht fair, denn es falle der Opposition viel schwerer als der Regierung, die breite Öffentlichkeit zu erreichen. Dessen ungeachtet kritisiert der linksorientierte Autor die Oppositionsparteien, weil sie den ihnen noch verbliebenen Freiraum nicht zu nutzen wüssten. Sie hätten sich hinter ein paar eingängigen Botschaften sammeln müssen, wie zum Beispiel ein klares Ja zur Europäischen Union. Stattdessen konkurrierten sie gegeneinander um Stimmen aus dem Oppositionslager. Offenbar habe die Opposition diese Wahl in der Hoffnung auf bessere Ergebnisse bei den Kommunal- und Bürgermeisterwahlen im Herbst bereits aufgegeben. Dennoch könnten regierungskritische Wähler den bevorstehenden Urnengang immer noch ernst nehmen, denn obwohl ein Fidesz-Sieg praktisch garantiert sei, dürfte sein Ausmaß keineswegs egal sein. Ein überwältigender Triumph der Regierung könnte in der Tat zu einer noch größeren Apathie seitens der Oppositionswähler führen und ihren Parteien damit jede Hoffnung auf einen Wahlerfolg im weiteren Verlauf des Jahres rauben.
Das regierungsnahe Wochenmagazin Figyelő veröffentlicht ein Interview mit Justizminister László Trócsányi, dem Spitzenkandidaten des Fidesz für die Europawahlen. Dabei betont Trócsányi, dass er an einem Programm für ein starkes Europa arbeite, das auf starken Mitgliedsländern basiere und wo Entscheidungen nicht von oben aufoktroyiert würden, sondern das Ergebnis sorgfältiger Überlegungen seien. Der Minister räumt ein, dass er nichts darüber sagen könne, ob der Fidesz Teil der Mitte-Rechts-Allianz im Europäischen Parlament bleiben werde, hält das aber für wünschenswert. Die ungarische Regierungspartei sei die größte Repräsentantin Mitteleuropas innerhalb der EVP, konstatiert Trócsányi. Es würde also eine wichtige Stimme aus diesem Parteiverbund verschwinden, falls der Fidesz ausscheiden müsste. Allerdings schließt er diese Möglichkeit nicht aus, sollten die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Europäischen Volkspartei nicht durch Konsens beigelegt werden können.
Péter Bándy pflichtet Ministerpräsident Viktor Orbán bei, der die Europäische Volkspartei bei Vorbereitungen für einen Selbstmord sieht, da sie ihr Schicksal mit dem der Linken verknüpfe. Es sei traurig, die Europäische Volkspartei zu beobachten, denn sie halte sich nicht an ihre eigenen Grundwerte und erfülle stattdessen die Erwartungen linksliberaler Kräfte. Auf diesem Weg, so der regierungsnahe Kommentator in Demokrata, werde die EVP unwiderruflich zur Gefangenen einwanderungsfreundlicher Mächte. Die Wahlen zum Europäischen Parlament sind in den Augen Bándys die letzte Gelegenheit für eine entsprechende Kurskorrektur. Es sei nicht der Fidesz, der zur Volkspartei zurückkehren müsse, sondern die Volkspartei, die sich für eine rechte Politik unter Berücksichtigung der Bürgerinteressen entscheiden sollte, notiert Bándy.
Ministerpräsident Viktor Orbán habe mit dem Empfang des italienischen Innenministers Matteo Salvini und des österreichischen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache deutlich gemacht, dass er die Volkspartei zu verlassen gedenke. Das lesen wir im Wochenleitartikel des liberalen Wochenmagazins Magyar Narancs. „Die Würfel sind gefallen!“, rufen die Leitartikler aus. Sie können dieses Verhalten nicht anders interpretieren als den Willen von Viktor Orbán, sich andere Verbündete zu suchen – vor allem, nachdem er dem EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber seine Unterstützung entzogen habe. Allerdings glaubt Magyar Narancs auch, dass es durchaus schwierig sein werde, die neuen potenziellen Verbündeten Orbáns bei der Stange zu halten, denn einige von ihnen seien pro-russisch, während die Polen regierende Rechtspartei von „Russophobie“ durchdrungen sei. Ein weiteres Problem der zukünftigen Rechtsallianz dürfte darin bestehen, dass ihre westlichen Bestandteile die EU-Finanzierung für osteuropäische Länder kürzen wollten, spekuliert Magyar Narancs.