Orbán spricht auf einer Kundgebung rechter Kräfte in Rom
24. Sep. 2019Ein linksliberales Internetportal veröffentlicht eine Stellungnahme von Ferenc Gyurcsány zur vermuteten Absicht Viktor Orbáns, Anführer der Verfechter einer Politik der nationalen Eigenständigkeit in Europa zu werden. Ein regierungsfreundlicher Kommentator hingegen vertritt die Auffassung, dass der ungarische Ministerpräsident lediglich die Mehrheit derjenigen Europäer vertrete, die sich der ungehinderten Masseneinwanderung widersetzen würden.
Auf einer jährlich stattfindenden Veranstaltung von Nachwuchskräften der rechtsorientierten Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) erklärte Viktor Orbán: Er und seine Verbündeten „vertreten eine Minderheit der europäischen Eliten, aber eine Mehrheit der Menschen“. In einer zuvor an dasselbe Publikum adressierten Rede hatte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte Orbán wegen dessen Ablehnung eines von der Regierung in Rom vorgeschlagenen Quotensystems für Migranten kritisiert. Sein ungarischer Kollege erwiderte, dass Ungarn bereit sei, Italien in vielen Dingen zu helfen. Die Übernahme von Migranten aufgrund einer obligatorischen Quote gehöre allerdings nicht dazu. Er, Orbán, erwarte, dass Italien in das Lager der Souveränitätsverfechter zurückkehre. Nicola Zingaretti, der Vorsitzende der Demokratischen Partei, die Anfang des Monats die rechtsextreme Lega in der italienischen Regierungskoalition ersetzt hatte, reagierte auf die Äußerungen Orbáns und bezeichnete ihn als einen Feind Italiens.
Hirklikk gibt einen Facebook-Eintrag des ehemaligen linksorientierten Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsány wieder. Darin räumt der Vorsitzende der Demokratischen Koalition ein, dass es sich bei den Gastgebern Orbáns „vielleicht nicht um eine neofaschistische Partei handelt“. Sie sei einfach wie der Fidesz, schreibt Gyurcsány und äußert die Überzeugung, dass der ungarische Ministerpräsident die Führungsrolle innerhalb des „radikalen, nationalistisch-populistischen Lagers“ in Europa anstrebe. Nachdem die Freiheitliche Partei Österreichs aus der Regierung gedrängt worden sei und sich auch der italienische Lega-Chef Matteo Salvini auf den Oppositionsbänken wiederfinde, sei diese Rolle vakant, notiert Gyurcsány.
Levente Sitkei beschreibt den Augenblick, als sich das römische Publikum in Anwesenheit des ungarischen Ministerpräsidenten erhob und es in Erinnerung an die ungarische Revolution von 1956 das Lied „Avanti Ragazzi di Buda“ (Vorwärts, Budapester Jungs!) intonierte. In Magyar Nemzet interpretiert der regierungsnahe Kommentator dies als Ausdruck einer fest im Volk verankerten Politik – im Kontrast zu einer auf Absprachen innerhalb der Eliten basierenden. Die neue italienische Regierung vertrete die letztgenannte, während die Bevölkerungsmehrheit der Entscheidung der einheimischen Behörden zur erneuten Öffnung italienischer Häfen für Schiffe voller Migranten ablehnend gegenüberstehe, behauptet Sitkei.
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