Nachbeben der Kommunalwahlen
28. Oct. 2019Noch immer werden die Nachrichten von den vor zwei Wochen abgehaltenen Kommunalwahlen dominiert. Die Wochenpresse analysiert die Auswirkungen der Wahlergebnisse sowie deren Folgen auf das Parteiengefüge.
Heti Világgazdaság erinnert in ihrer Wahlergebnisbilanz, dass der Fidesz 200.000 mehr Stimmen erhalten habe als bei den letzten Kommunalwahlen des Jahres 2014. Selbst in Großstädten – darunter ungeachtet der Niederlage vieler Fidesz-Bewerber gegen Oppositionskandidaten auch Budapest – habe er mehr Anhänger mobilisieren können als vor fünf Jahren. Die Regierungspartei habe landesweit über 52 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können, wodurch ihre Wählerbasis um etwa 20 Prozent gewachsen sei.
Die Kommunalwahl habe der MSZP einen heftigen Schlag versetzt, behauptet Sándor Révész in Heti Világgazdaság. Der liberale Kommentator weist darauf hin, dass die Sozialistische Partei trotz der guten Vorstellung der gemeinsamen Oppositionskandidaten nur ein Sechstel der für die Opposition abgegebenen Stimmen habe erringen können. Laut Révész gelten das progressiv-liberale Momentum sowie die Demokratische Koalition nunmehr als die führenden Kräfte der Linken, während die MSZP vernichtet worden sei. Révész sagt voraus, dass die Wählerbasis der MSZP angesichts von Alterungsprozessen weiter schrumpfen werde.
András Bencsik bezeichnet diejenigen jugendlichen Wählerinnen und Wähler, die den ehemaligen Ministerpräsidenten Gyurcsány bewundern würden (siehe BudaPost vom 22. Oktober), als „Idioten“. Für den Chefredakteur des regierungsnahen Wochenmagazins Magyar Demokrata ist es eine bizarre Tatsache, dass sich junge Wähler nicht um die nach wie vor schwelenden Korruptionsskandale der ehemaligen Linken kümmern würden. In ganz Europa habe es eine immer stärker werdende patriotische Wählerschaft mit „migrationsorientierten Idioten zu tun, die Moral und gesunden Menschenverstand ignorieren“, echauffiert sich Bencsik.
István Kovács, Analyst der regierungsnahen Denkfabrik Zentrum für Grundrechte, äußert im gleichen Wochenmagazin die Vermutung, dass der neue Budapester Oberbürgermeister Gergely Karácsony einen entzweienden Kulturkrieg auslösen werde. Die Opposition verfüge über gar keine andere Vision, als Ministerpräsident Orbán zu besiegen. Und wenn es keine klaren politischen Ziele gebe, werde sie sich auf Symbolpolitik konzentrieren, gibt Kovács zu bedenken.
In einem Beitrag für Élet és Irodalom führt Zoltán Lakner den Erfolg von oppositionellen Kandidaten in Großstädten unter anderem auf die „Anti-Orbán-Kampagne“ der Oppositionsparteien zurück. Diese Strategie dürfte die Unzufriedenheit ihrer Anhänger mit der Regierung nicht konservieren können, stellt der linke Analyst fest. Bürgermeister aus den Reihen der Opposition könnten nach Übernahme der Macht nicht mehr auf der Anti-Establishment-Welle reiten. Auch dürfte die Unterstützung für die Opposition schwinden, falls sich die neuen Bürgermeister in Korruptionsskandale verstricken sollten. Wenn sie jedoch die Gunst der Stunde klug nutzen sollten, könne die Opposition eine starke landesweite Plattform schaffen – eine Plattform, die auf denjenigen Gemeinden gründe, die sie im Oktober übernommen habe, spekuliert Lakner abschließend.
Magyar Narancs hingegen argwöhnt, dass es der Fidesz sein könnte, der allmählich den Boden unter seinen Füßen verliere. Die liberale Wochenzeitung beschreibt die Anhänger der Regierungspartei als durch ihre bedingungslose Hingabe an Ministerpräsident Viktor Orbán motivierte Fanatiker. Sie verfügten weder über Prinzipien noch eine Ideologie und würden ihrem charismatischen Führer durch dick und dünn treu nachfolgen. Der Charme des Ministerpräsidenten beginne zu schwinden, lautet für Magyar Narancs ein Fazit der Kommunalwahlergebnisse.
Tags: Kommunalwahlen, Parteien