Fast die gesamte Index-Redaktion hat gekündigt
27. Jul. 2020Am vergangenen Freitag hat ein großer Teil der Redakteure von Index.hu ihre Kündigung eingereicht. Angesichts dieser Entwicklung wirft ein liberaler Kommentator der Regierung den Versuch vor, ihren wichtigsten Kritiker zum Schweigen zu bringen. Ein regierungsnahes Nachrichtenportal vermutet dagegen eine Übernahme des reichweitenstarken Portals durch Ferenc Gyurcsány.
Der Kündigungswelle war die Entlassung des bisherigen Index-Chefredakteurs durch den Vorstand des Medienunternehmens vorausgegangen, dem das Portal gehört. Szabolcs Dull musste seinen Hut nehmen, weil er – so die offizielle Begründung – Informationen über eine vom Vorstand betriebene Umstrukturierung von Index öffentlich gemacht habe. Mit der Umstrukturierung soll das Unternehmen profitabel gemacht werden. Am Freitag rief die Partei Momentum zu einer Protestdemonstration auf. Die Teilnehmer marschierten vom Redaktionsgebäude zum Amtssitz von Ministerpräsident Orbán auf der Budaer Burg. Die Angaben über die Zahl der Teilnehmer variieren – je nach Quelle – zwischen ein- bis mehreren tausend.
Péter Uj von 444 argumentiert, die Regierung wolle mit Index einen ihrer einflussreichsten Kritiker zum Schweigen bringen. Nach Ansicht des liberalen Journalisten wollen die regierungsfreundlichen Eigentümer Index kontrollieren und in eine weniger kritische Nachrichtenseite umwandeln. Uj erinnert an das Ende der führenden linken Tageszeitung Népszabadság im Jahr 2016, nachdem das Blatt zuvor von einem regierungsnahen Investor übernommen worden war. Index habe den Kampf, den es zehn Jahre lang für Meinungsfreiheit und eine unabhängige Berichterstattung geführt habe, verloren. Uj wirft der Regierung den Versuch einer Entwurzelung der freie Presse vor und sagt voraus, dass Index bald ein weiteres Medium sein werde, das die Propaganda der Regierung verbreite. In einem Nebensatz weist Uj darauf hin, dass verschiedenen Meinungsumfragen zufolge drei bis vier Millionen Ungarn den Medien der Regierung nicht vertrauen würden. Die entscheidende Frage laute nunmehr, ob und wie „Inseln unabhängiger Medien“ aufrechterhalten werden könnten.
Origo beschreibt den Kampf um Index als einen linksinternen Wettbewerb. Das regierungsfreundliche Portal vermutet, dass Index von Leuten im Umfeld Ferenc Gyurcsánys übernommen worden sei, und nennt in diesem Zusammenhang „die Neue Linke“, also die Momentum-Partei. Es sei doch aufschlussreich, dass Momentum zur Demonstration zur Verteidigung von Index aufgerufen habe – obwohl sich auch Anhänger der Demokratischen Koalition des ehemaligen Regierungschefs daran beteiligt hätten. 2011, so Origo weiter, habe eine Gruppe von mit der linken MSZP verbundenen Index-Journalisten unter der Führung Péter Ujs das Portal verlassen, das sich in letzter Zeit zu einem Sprachrohr der aufstrebenden Momentum-Bewegung entwickelt habe. Index habe massive operative Verluste erlitten und stehe am Rande der Insolvenz, notiert Origo und behauptet, dass der Vorstand linke Journalisten mit der Umstrukturierung beauftragt habe. Folglich sei der Vorwurf der Einmischung seitens der Regierung vollkommen haltlos.
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