Wochenpresse zum Ende von Index
3. Aug. 2020Der Opposition nahestehende Wochenzeitschriften sagen voraus, dass Index ohne seine über 80 Journalisten, die letzte Woche aus Furcht vor einer möglichen Einmischung regierungsnaher Kreise gekündigt hatten, nie wieder so wie früher sein werde. Eine regierungsfreundliche Wochenzeitung wittert hinter dem Konflikt ein Komplott der Opposition.
In seinem Leitartikel auf der Titelseite von Élet és Irodalom räumt Zoltán Kovács ein, dass Index möglicherweise unabhängig von politischer Einflussnahme weiterarbeiten könnte. Doch dürfte auf lange Sicht gesehen das Schicksal des Nachrichtenportals besiegelt sein, da es sich bei den eigentlichen Eigentümern um regierungsnahe Geschäftsleute handele. Kovács vergleicht diese Eigentümer mit der Familie Sulzberger, die die New York Times in der festen Überzeugung führe, im Einklang mit der Redaktion dem öffentlichen Wohl zu dienen.
In 168 Óra betont Richárd Molnár: Obwohl er selbst für eine Zeitung arbeite, die einer Stiftung mit vermeintlich guten Beziehungen zur Regierung gehöre, sei er dessen ungeachtet frei über eben jene Regierenden zu schreiben, was immer er für angemessen halte. Molnár zollt den Journalisten von Index großen Respekt für ihren kollektiven Aufstand. Allerdings schränkt er ein: „Man sollte nicht aufgeben, solange ein freies Schreiben möglich ist.“
Die Regierenden hätten nicht gewollt, dass ihr Konflikt mit der Index-Redaktion eine derartig dramatische Wendung nehmen würde, weil sie auf diese Weise ein Territorium besetzt hätten, das von den zurückziehenden feindlichen Truppen niedergebrannt worden sei, schreibt Tamás Ónody-Gomperz in Heti Világggazdaság. Dessen ungeachtet weist er die Schuld an den Geschehnissen dem Ministerpräsidenten zu, den er zunächst als „Napoleon der Steppe“ bezeichnet, bevor er ihn mit dem englischen König Edward I. vergleicht, der 1277 fünfhundert walisische Barden auf den Scheiterhaufen geschickt hatte.
In einer Vorbemerkung zu einem ausführlichen Bericht zum Thema verurteilt Jelen die Führung der Index betreibenden Stiftung. Sie sei für das Ende der beliebtesten ungarischen Website in der Form, „wie wir sie kennen“, verantwortlich. Einschränkungen der Freiheit sowie die Zerstörung kreativer Kollektive seien unentschuldbar und liefen auf „mehr als Kollaboration hinaus – ihr Name ist Verrat“, schimpfen die Redakteure.
Die Wochenleitartikler von Magyar Narancs glauben, dass Index in seiner jetzigen Form zum Untergang verurteilt gewesen sei, da sich das Vermögen des Portals in den Händen regierungsfreundlicher Investoren befunden habe. In so einem Fall, so ihr Argument, sei es besser, die Sache „mit einem Knall zu beenden, als inmitten des Verfalls“. Magyar Narancs ist zuversichtlich, dass den ehemaligen Index-Journalisten genügend Geld zur Verfügung stehen werde, um eine neues Portal einzurichten. Doch „wird Index nie wieder dasselbe sein“, so die Prognose.
In Magyar Hang zählt Szabolcs Szerető sämtliche Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit dem Konflikt um Index auf, ohne davon überzeugt zu sein, dass eine von ihnen wahr ist. Egal welche politische Seite von diesen Ereignissen profitiert habe, es sei nur zu traurig, wenn hundert Redakteure zum Werkzeug in einem politischen Spiel würden, gibt Szerető zu Protokoll.
In Demokrata interpretiert Chefredakteur András Bencsik die Ereignisse bei Index als Startschuss für den Wahlkampf des Jahres 2022. Seiner Ansicht nach waren die ausgeschiedenen Redakteure Anhänger der liberalen Partei Momentum, die mit der Demokratischen Koalition um den Titel der populärsten Oppositionskraft konkurriere. Hinter der Eskalation des Konflikts zwischen Redaktion und der Index-Betreiberstiftung hätte eine ganze Serie von Provokationen gesteckt, und zwar ausgelöst durch die Demokratische Koalition. Infolgedessen, so argumentiert Bencsik, sei es der Opposition gelungen, die internationale Presse mit falschen Informationen über die Gefährdung der Demokratie in Ungarn zu füttern, während die Demokratische Koalition auf der anderen Seite Momentum ein Medium entzogen habe, das sie nachdrücklich unterstützt habe.
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