Hoffnungen der Opposition ruhen auf der Coronakrise
28. Sep. 2020Regierungskritische Stimmen gehen davon aus, dass eine lang anhaltende COVID-Krise samt deren Auswirkungen auf die Wirtschaft der Opposition die Chance auf Ablösung der Regierung geben könnte.
Attila Tibor Tóth vertritt in der Wochenzeitung Magyar Hang die Ansicht, dass sich die Opposition ohne die Coronavirus-Pandemie realistischerweise keine Hoffnungen auf einen Wahlsieg im Jahr 2022 machen könne. Krisen spielten gewöhnlich der Opposition in die Hände und stellten eine Bedrohung für Regierungen dar, notiert der politisch in der Mitte angesiedelte, aber dennoch scharf regierungskritisch eingestellte Analyst. Er erinnert an die Finanzkrise 2008, die nicht nur die regierende Linke zu Fall gebracht, sondern auch zum erdrutschartigen Sieg des Fidesz im Jahr 2010 und in der Folge zu einem „neuen Herrschaftssystem“ geführt habe.
Nun, so Tóth weiter, würden die Coronavirus-Pandemie und die mit ihr einhergehende Wirtschaftskrise eine ebenso große Herausforderung für das neue Regime darstellen. Hinzu komme, dass sich die Lage bis 2022 nicht wieder normalisieren werde: Zunehmende Arbeitslosigkeit, Armut sowie der Schmerz derjenigen, die geliebte Menschen verloren haben werden, könnten die Wut gegen die Regierung schüren.
Allerdings verweist der Analyst darauf, dass die erste Pandemiewelle und der darauf verhängte Lockdown keine solchen politischen Auswirkungen gezeitigt hätten. Tatsächlich sei die Darstellung der Opposition von einem weit verbreitete Elend kaum glaubwürdig, da es den Menschen viel besser gehe als noch vor zehn Jahren. Außerdem habe die Regierung einige populäre Maßnahmen ergriffen, wie beispielsweise das Moratorium für die Schuldenrückzahlung.
Aber je länger sich die Pandemie hinziehe, desto schwerer werde es den Regierenden fallen, das Bedürfnis der Menschen nach existenzieller Sicherheit zu befriedigen. Angesichts der relativen Schwäche der Opposition ist Tóth dennoch der Ansicht, dass das Krisenmanagement der Regierung schon extrem enttäuschend ausfallen müsse, um den oppositionellen Kräften einen Wahlsieg zu bescheren.
In ähnlicher Weise spürt Zoltán Lakner einem historischen Präzedenzfall während der großen Depression des Jahres 1929 nach. Sie habe Graf István Bethlen, einen der erfolgreichsten ungarischen Ministerpräsidenten, nach zehnjähriger Regierungszeit zu Fall gebracht, ohne dass er sich irgendeiner ernsthaften Herausforderung habe stellen müssen, erinnert der Eigner und Chefredakteur von Jelen.
Er sieht in Krisen die Gelegenheit für die jeweils Regierenden, ihre Kompetenz und Effizienz unter Beweis zu stellen. Ministerpräsident Viktor Orbán habe in den letzten zehn Jahren beides offenbart, als er nur wenige Monate nach Beginn seiner ersten Amtszeit die Rotschlamm- und drei Jahre später die Flutkatastrophe gemanagt habe.
Dabei allerdings habe es sich zwar um schwierige, aber kurzfristige Herausforderungen gehandelt. Eine langwierige Pandemie, die nur durch strikte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der Bevölkerung eingedämmt werden könne, könnte viel schwieriger zu bewältigende Problemen verursachen, argumentiert Lakner, denn je länger die Krise anhalte, desto weniger glaubwürdig sei die Behauptung der Regierung, dass ausschließlich sie den Menschen ein ungefährdetes und geborgenes Leben zu garantieren vermag.
All das werde die Regierung nicht automatisch zu Fall bringen, konstatiert Lakner, deutet aber gleichzeitig an, dass ihre Herrschaft in den kommenden Monaten fragiler sein werde als jemals zuvor.
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