Ungarn und Polen blockieren EU-Haushalt wegen Streit um Rechtsstaatlichkeit
18. Nov. 2020Ein ehemaliger ungarischer EU-Kommissar glaubt, dass es Ungarn auf einen frontalen Zusammenstoß mit der Union ankommen lässt.
Ungarn und Polen haben am Montag offiziell bestätigt, dass sie ihr Veto gegen den EU-Haushalt für die nächsten sieben Jahre sowie gegen den Coronavirus-Hilfsfonds einlegen werden. Zur Begründung verweisen Budapest und Warschau auf einen Beschluss der übrigen EU-Mitgliedsstaaten, dem zufolge Zahlungen aus Brüssel künftig von der Einhaltung rechtsstaatlicher Normen abhängig gemacht werden sollen. Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte in diesem Zusammenhang, es widerspreche der Idee der Rechtsstaatlichkeit, wenn Sanktionen auf der Grundlage nicht näher spezifizierter Kriterien verhängt würden. In den Augen Orbáns existiert keine klare Definition dessen, was Rechtsstaatlichkeit eigentlich bedeutet.
Nach Auffassung Ungarns und Polens wirke sich der Streit um die Rechtsstaatlichkeit direkt auf die nationale Identität beider Staaten aus, notiert der ehemalige ungarische EU-Kommissar Tibor Navracsics in einer ausführlichen Analyse für das Internetportal Index. Demzufolge seien sie auch bereit, zum Schutz ihrer Autonomie als EU-Mitgliedsstaaten jeden Preis zu zahlen, betont der einstmals ranghohe Fidesz-Politiker, der Anfang 2010 als stellvertretender Regierungschef fungierte und bis 2019 der Europäischen Kommission angehörte. Aber auch die Initiatoren der Regel vom Zusammenhang zwischen Rechtsstaatlichkeit und EU-Finanzhilfen seien nicht kompromissbereit, betont Navracsics und vergleicht den Konflikt mit dem sogenannten „Angsthasenspiel“, bei dem sich zwei Raser auf Kollisionskurs befinden: Einer von ihnen muss ausweichen, sonst könnten beide bei dem Zusammenstoß sterben. Aus ungarischer Sicht, so schreibt Navracsics, könne das Spiel entweder mit einem absoluten Sieg oder in einer Tragödie enden.
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