Wochenpresse zur ersten Amtswoche von Präsident Biden
1. Feb. 2021Nach Ansicht eines liberalen Juristen muss die Biden-Administration eine Quelle der Beunruhigung für die Regierung in Budapest sein. Allerdings dürfte sie kaum für umwälzende Veränderungen in Ungarn sorgen. Ein regierungsnaher Kolumnist fragt sich, wohin die von der neuen Regierung ostentativ vertretene Identitätspolitik die Vereinigten Staaten wohl führen werde.
Richárd Szentpéteri Nagy begrüßt die neue US-Regierung und sagt voraus, dass ihre Außenpolitik Ungarn gut tun, sie für die hiesige Regierung jedoch sicher nicht günstig sein werde. In einem Kommentar für das Wochenjournal 168 Óra räumt der Verfassungsrechtler ein, dass Ungarn auf der Prioritätenliste der Biden-Administration sehr weit unten rangieren dürfte und auch die gesamte Region werde in Washington wohl als nicht besonders wichtig betrachtet – ja sogar ganz Europa stehe weit hinter anderen Regionen und Problemen zurück, denen sich die neue Administration der Demokraten stellen müsse.
Nichtsdestotrotz habe der ehemalige Präsident Trump dem ideologischen Raum, mit dem die ungarische Regierung vertraut sei, sicherlich näher gestanden, notiert Szentpéteri Nagy. Dabei habe Trump keine besonderen Projekte im Sinn gehabt, außer persönlich möglichst oft im Rampenlicht zu stehen. Szentpéteri Nagy findet es ziemlich unverständlich, dass die ungarische Regierung alles auf Trump gesetzt und damit verloren habe. So müsse sie nun mit einer US-Regierung kooperieren, die Budapest eher mit unguten Gefühlen betrachten dürfte.
Der Kommentator warnt die ungarische Opposition vor dem Irrglauben, dass ihre Probleme von der Biden-Administration gelöst werden könnten, obwohl sie offensichtlich ein Anhänger der liberalen Demokratie sei, die die Opposition wiederherstellen wolle. Die neue Führung der Vereinigten Staaten werde Ungarn immerhin mehr Aufmerksamkeit schenken als die vorherige, aber das Schicksal Ungarns liege in den Händen der Ungarn, resümiert Szentpéteri Nagy.
Völlig anders interpretiert László Szentesi Zöldi vom Wochenmagazin Demokrata die Zusammensetzung der neuen Regierung – nämlich als Beweis dafür, dass in den Vereinigten Staaten „der Sozialismus“ errichtet werde. Es sei bezeichnend, dass sich Präsident Biden bei der Ernennung seiner Minister und Mitarbeiter an bestimmten ethnischen Quoten orientiere. Szentesi Zöldi sieht das kritisch und verweist auf die Erfahrungen der Völker Mitteleuropas, die in ihrer jüngeren Geschichte schreckliche Erinnerungen an Praktiken gehabt hätten, bei denen die Bürger nach ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft klassifiziert worden seien.
Der Autor zählt einige der ersten Erlasse Bidens – darunter die Einführung nicht nach Geschlechtern getrennter Toiletten in Schulen sowie die Möglichkeit für Transgender-Personen, bei Sportveranstaltungen gegen Vertreter ihres gewählten Geschlechts anzutreten – als weitere Beweise für die Richtung auf, in die die neue Administration den Geltungsbereich der Identitätspolitik ausweiten wolle. (Übrigens bezeichnet Szentesi Zöldi Transgender als „in Wahrheit kranke Männer bzw. Frauen“ – Anm. d. Red.)
Der Publizist sagt voraus, dass eine weitere schnelle Entscheidung, nämlich elf Millionen Einwanderern ohne Papiere die Staatsbürgerschaft zu verleihen, neue, aus Lateinamerika via Mexiko hereinbrechende Einwanderungswellen auslösen werde. Und wenn diese Menschen letztendlich auch die US-Staatsbürgerschaft erhalten sollten, könne ihre schiere Menge eine ewige zahlenmäßige Überlegenheit der Demokraten gegenüber den Republikanern garantieren, was ein virtuelles Einparteiensystem in den Vereinigten Staaten hervorbringen werde. In diesem Sinne bezeichnet Szentesi Zöldi das neue System, das aus der Biden-Administration hervorgehen werde, als „Quotensozialismus“.