EU-Ungarn-Streit um das LGBT-Gesetz im Spiegel der Wochenzeitungen
5. Jul. 2021Die oppositionsnahe Wochenpresse fragt sich, ob der Streit zwischen den meisten europäischen Regierungen und der ungarischen Führung über die Sexualerziehung Ungarn letztlich zum Verlassen der Europäischen Union veranlassen werde. Regierungstreue Blätter hingegen loben die ungarische Führung für die Verteidigung traditioneller Werte.
Szabolcs Szerető erwartet „keine ernsthafte Gegenreaktion“ von Seiten der Europäischen Union, nachdem Ungarn ein umstrittenes Gesetz verabschiedet hat, das „die Förderung und Darstellung von Pädophilie und Homosexualität“ unter Minderjährigen verbietet (siehe BudaPost vom 2. Juli).
In Magyar Hang beschreibt der Autor das Gesetz als einen „teuflisch schlauen“ Schachzug. Es lasse der Opposition keine andere Möglichkeit, als sich auf die Seite der LGBTQ-Gemeinschaft zu stellen – eine Position, die von der Mehrheit der Bevölkerung sicher nicht unterstützt werde. Der Ministerpräsident wolle, dass die Opposition das Regenbogenbanner hisse, während er selbst die ungarische Nationalfahne in der Hand halte. Szerető fragt sich, ob die Opposition wohl in der Lage sein werde, nicht in diese Falle zu tappen.
Im regelmäßigen Wochenleitartikel bezweifelt Magyar Narancs, dass die aktuellen Auseinandersetzungen mit der EU-Spitze zu einem Austritt Ungarns aus der Europäischen Union führen werden. Die politisch liberal orientierte Redaktion schildert die Position Orbáns innerhalb der Union als die eines einsamen Akteurs, der praktisch keine Partner in der Gemeinschaft habe. Dennoch werde er niemals ausgeschlossen werden, glauben die Macher des Wochenmagazins. Die Vergeltung dürfte sich darauf beschränken, Ungarn etwas weniger Geld zu überweisen. Was den Ministerpräsidenten selbst beträfe, so werde er trotz aller unangenehmen Erfahrungen in der EU bleiben, weil er international nur so lange ein wichtiger Faktor sei, wie er der Gemeinschaft angehöre, meint Magyar Narancs.
In einem Kommentar für Jelen hingegen schließt Tamás Fóti nicht aus, dass der Ministerpräsident Ungarn letztlich aus der Union hinausführen werde. Vor zehn Jahren noch hätte er eine solche Vermutung als absurd bezeichnet, inzwischen jedoch halte er es zumindest für angebracht, die Frage zu stellen, ob sich Ungarn am Ende des Weges außerhalb der Gemeinschaft wiederfinden werde? Natürlich sei Viktor Orbán als pragmatischem Politiker bewusst, dass seine russischen und chinesischen Partner ihn nur so lange interessant finden würden, wie er sich innerhalb der Union befinde, räumt Fóti ein. Das Wichtigste für Orbán sei jedoch die Macht selbst, und Kritik aus dem maßgeblichen Teil Europas könne seine Machtposition untergraben, glaubt der Kommentator.
Laura Szalai von Mandiner erkennt in der anhaltenden Kontroverse zwischen der ungarischen Regierung und der Europäischen Union ein neues Kapitel im internationalen Kulturkampf. Komplett neu sei aber, dass ein solcher ideologischer Kampf bis in die Fußballstadien vordringen würde und in diesem Zusammenhang deutsche Behörden sowie multinationale Unternehmen während der EURO 2020 in Reaktion auf das als homophob gebrandmarkte ungarische Gesetz Regenbogenfarben präsentierten. Nach Ansicht Szalais sollte Ungarn nicht akzeptieren, dass ihm eine verbindliche und zu befolgende Linie aufgezwungen werde – ganz egal, wie sehr der öffentliche Raum in der Politik von Gegnern traditioneller, von der ungarischen Regierung vertretener Werte vereinnahmt worden sei. Die Konservativen in Ungarn schützten lediglich die Institution der Familie gegen die Art von extremistischer Gender-Ideologie, die von „globalen Meinungsmanagern“ propagiert werde, meint die Autorin.
Im wöchentlichen Leitartikel für sein Wochenmagazin Demokrata vergleicht András Bencsik die ungarische Gesetzgebung zur Sexualerziehung von Minderjährigen mit einer kürzlich vom Europäischen Parlament verabschiedeten Resolution, in der „unter dem Vorwand der Sexualhygiene” erklärt werde, dass LGBTQ-Aufklärung verpflichtend gemacht und Abtreibung als universelles Recht betrachtet werden sollte.
Bencsik zitiert eine Erklärung der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Union. (In der Stellungnahme hatten katholische Führungspersönlichkeiten aus den 27 Mitgliedsländern der Union gegen den Abschnitt der Erklärung protestiert, der sich mit dem Thema Abtreibung befasst – Anm. d. Red.) Während diese Debatte noch andauere, schreibt der Demokrata-Chefredakteur, schütze Ungarn die Kinder durch ein Gesetz, in dem das unveräußerliche Entscheidungsrecht der Eltern verteidigt werde: Ausschließlich sie dürften darüber befinden, wann und auf welche Weise ihre Kinder in das Thema Sexualität eingeführt werden sollten. „Die Mauern der ungarischen Festung stehen noch“, konstatiert Bencsik abschließend.
Tags: EU, Gesetz, Homosexualität, Kinderschutzgesetz, LGBTQ, Ungarn-Kritik