Erste TV-Debatte der Oppositionskandidaten
15. Sep. 2021Kommentatoren aller Couleur sind sich einig, dass die Kandidatinnen und Kandidaten der Vorwahlen um die Spitzenkandidatur der Opposition scharfe Auseinandersetzungen vermieden und polarisierende Themen ausgespart haben, um Geschlossenheit zu demonstrieren.
Gábor Török analysiert, dass die Oppositionskandidaten harte und allzu kontroverse Debatten vermieden hätten, um ihr Image der Eintracht zu wahren. Und dennoch sei es ihnen gelungen, ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten und Charaktere zu offenbaren, notierte der Politologe auf Index. Die Opposition müsse einen Anführer präsentieren, um die Wähler davon zu überzeugen, dass sie die Fähigkeit zum Regieren des Landes besitze. Nach der ersten Debatte bleibe einstweilen abzuwarten, ob die Opposition eine starke Führungspersönlichkeit präsentieren könne, so der der politischen Mitte zuzurechnende Török abschließend.
Es sei beruhigend und verheißungsvoll, dass die Kandidaten der Opposition eine ruhige und höfliche Diskussion geführt hätten, gibt János Dési zu Protokoll. Der Redakteur von Klubrádió schöpft aus der zivilisierten Debatte die Hoffnung, dass die Oppositionsparteien in der Lage sein könnten, Kompromisse auszuhandeln und gemeinsam zu regieren, falls sie die Parlamentswahlen 2022 gewinnen sollten. Gut, dass die Kandidatinnen und Kandidaten einen Streit über diejenigen Themen in der ungarischen Politik vermieden hätten, die die Gesellschaft am tiefsten spalten würden – darunter die Migration. Abschließend unterstreicht der linksliberale Kommentator, dass die Opposition nur gewinnen könne, wenn die sie vertretenden Parteien eine starke Solidarität untereinander demonstrieren würden.
Rafael Petróczi wiederum äußert sich enttäuscht. Auf Azonnali beklagt er, dass die Oppositionskandidaten die Gelegenheit zur Wiederholung ihrer Wahlkampfslogans ergriffen hätten, anstatt sich auf eine echte Debatte einzulassen. Sicher, eine scharfe Diskussion wäre schädlich für die Opposition gewesen. Doch müsse sie die Wähler davon überzeugen, dass sie über einen plausiblen Plan für das Regieren des Landes verfüge. Zumindest hätte der Moderator einige harte Fragen stellen sollen, anstatt den Kandidaten zu erlauben, „Mist zu erzählen“. Als Beispiel für unbestrittene nebulöse Äußerungen verweist Petróczi auf die Aussage von Klára Dobrev von der Demokratischen Koalition, wonach sie die Verfassung auch ohne Erlangung einer Zweidrittelmehrheit umschreiben würde. Wie das möglich sein könnte – dazu kein Wort.
Ervin Nagy von Magyar Hírlap fragt sich, ob es im Falle eines Sieges der Opposition im Jahr 2022 zu sozialen Unruhen kommen werde. Der konservative Kommentator interpretiert die Drohung der Oppositionskandidaten, die Verfassung auch ohne Zweidrittelmehrheit umzuschreiben, als Gefahr für die Rechtsordnung, den Rechtsstaat und die Demokratie. Die Oppositionskandidaten hätten sich zunehmend radikalisiert, und ihre Rhetorik erinnert Nagy an die Sprache der Bolschewisten nach den beiden Weltkriegen. In beiden Fällen sei auf die verbalen Angriffe Gewalt gefolgt. In einem Nebensatz stellt Nagy die Frage in den Raum, ob Brüssel ein Wort zur Verteidigung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie an die Adresse der Linken richten werde.
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