Wochenpresse nimmt Márki-Zay unter die Lupe
17. Jan. 2022Regierungsnahe Kommentatoren halten den Ministerpräsidentenkandidaten der Opposition für vollkommen ungeeignet. Auch linke Kommentatoren erkennen seine Unbeholfenheit, sind sich aber uneins, ob sie eine Schwäche oder doch eher eine Stärke sei.
Die sechs Oppositionsparteien wären froh, könnten sie Márki-Zay loswerden, der mit seinen unbeholfenen Äußerungen seine eigene Beliebtheit untergrabe, notiert Dániel Kacsoh in Mandiner. Als Beispiel führt er die Art und Weise an, wie der oppositionelle Spitzenkandidat den Vorwurf zurückgewiesen habe, er würde sich in Form der Führer der ehemals rechtsextremen Jobbik-Partei mit Antisemiten verbünden. (Márki-Zay hatte dem entgegnet, dass es in den Reihen des Fidesz zwar Juden gebe, aber nicht viele. Gleichzeitig machte er den Regierenden Antisemitismus zum Vorwurf – Anm. d. Red.)
Laut Kacsóh hat die neue israelische Regierung Ungarn erst kürzlich dafür gedankt, dass Budapest ihre Anliegen auf internationaler Bühne unterstütze. Die Regierung investiere Milliarden für Bauvorhaben und habe einen Holocaust-Gedenktag eingeführt, als der Fidesz vor 20 Jahren erstmals an der Regierung gewesen sei, unterstreicht Kacsoh.
In einem Beitrag für Demokrata äußert Lászkó Szentesi Zöldi die Ansicht, dass Márki-Zay von seinen Verbündeten doch noch von der Bühne verdrängt werde, weil Ungarn sonst der lächerlichste Wahlkampf aller Zeiten drohe. Die Opposition habe weder ein Programm noch eine Führungspersönlichkeit, die in der Lage wäre, eine vernünftige Sprache zu sprechen. Falls jedoch die Opposition ihren derzeitigen Spitzenkandidaten loswerden sollte, dürfte es schwierig sein zu erklären, warum sie im Oktober überhaupt eine Vorwahl abgehalten habe. In einer sarkastischen Schlussbemerkung fordert der Kolumnist seine Leser auf, im April den Fidesz zu wählen, um der Opposition genügend Zeit zum Sortieren zu geben.
In Heti Világgazdaság rät Árpád W. Tóta, die Opposition sollte sich nicht an Márki-Zays plumpen Stil stören. Seine Angewohnheit, Klatsch und Tratsch oder sogar Unwahrheiten zu verbreiten, funktioniere tatsächlich, meint Tóta. Sein aggressiver und unverschämter Stil mag den kultivierten Intellektuellen nicht gefallen, erklärt der liberale Publizist, aber sie seien nicht die Einzigen, die Ministerpräsident Orbán und sein Regime verabscheuen würden. Es existierten auch Menschen, die ihre Wut in Kneipen oder in sozialen Medien zum Ausdruck brächten. Und genau sie seien die unentschlossenen Wählerinnen und Wähler, die die Opposition für sich gewinnen sollte. Dank der verbalen Exzesse von Márki-Zay, so Tóta, könnten sie nun zumindest erkennen, dass es einen Herausforderer des amtierenden Ministerpräsidenten überhaupt geben würde.
In einem Interview mit 168 Óra führt Attila Tibor Nagy die regelmäßigen Ausrutscher Márki-Zays als Beweis dafür an, dass er sich in der Welt der Politik nicht auskenne und in der Öffentlichkeit agiere, als befände er sich in privater Runde. Solche Verhaltensweisen seien vor fünf Jahren im Fall Donald Trumps erstaunlich vorteilhaft gewesen. Was in den Vereinigten Staaten funktioniert habe, werde in Ungarn jedoch kaum klappen, weil die Unzufriedenheit mit der herrschenden Elite hierzulande viel weniger ausgeprägt sei, argumentiert Nagy. 90 Prozent der Ungarn seien Eigentümer ihrer eigenen Häuser oder Wohnungen und zögen Stabilität der Unsicherheit vor. Nichtsdestotrotz schließt Nagy einen Sieg der Opposition bei den Wahlen am 3. April nicht kategorisch aus. Allerdings ist er der Auffassung, dass sich bis dahin ein außergewöhnlicher Skandal unter Beteiligung der Regierung werde entfalten müssen.