Brüssel will Mechanismus der Rechtsstaats-Konditionalität auslösen
9. Apr. 2022Ein regierungsfreundlicher Kolumnist vermutet, dass die Europäische Kommission Ungarn für das Wahlergebnis vom vergangenen Sonntag bestrafen wolle. Bekanntlich war die vom Fidesz geführte Regierung mit großer Mehrheit in ihrem Amt bestätigt worden.
Am Dienstag erklärte die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, vor dem Europäischen Parlament, dass die Kommission in Kürze den Prozess der Rechtsstaats-Konditionalität gegen Ungarn in Gang setzen werde. Auf einer am Mittwoch in Budapest abgehaltenen Pressekonferenz bezeichnete Ministerpräsident Viktor Orbán diese Entscheidung als eigenartig, da sich seine Regierung und die Europäische Kommission in strittigen Fragen bereits verständigt hätten. Daraufhin erklärte der Sprecher der EU-Kommission am Donnerstag: Die EU habe spezifische Probleme mit dem System der öffentlichen Auftragsvergabe in Ungarn. In der Folge müssen die Kommissarinnen und Kommissare den Text eines Schreibens verabschieden, das an Budapest geschickt werden soll und in dem diese Bedenken dargelegt werden. Beobachtern zufolge kann sich das Verfahren, das zur Sperrung von Geldtransfers Richtung Ungarn führen kann, bis zu neun Monate lang hinziehen.
Péter G. Fehér ist davon überzeugt, dass die Europäische Kommission im Falle eines Sieges der Opposition bei den Parlamentswahlen vom vergangenen Sonntag niemals ein Verfahren zur Einhaltung rechtsstaatlicher Kriterien gegen Ungarn eingeleitet hätte. In einem Artikel für die Tageszeitung Magyar Hírlap wirft er den maßgeblichen Politikern in Brüssel Heuchelei vor: Sie würden der ungarischen Regierung zwar undemokratische Tendenzen vorwerfen, könnten aber selbst das Ergebnis einer Wahl nicht akzeptieren, bei der diese Regierung einen unumstrittenen Sieg errungen habe. Indem die Union die Mittel für Wiederaufbau und Stabilität nach der Corona-Pandemie im Volumen von fünf Prozent des ungarischen BIP zurückhalte, wolle Brüssel das ungarische Wahlvolk dafür bestrafen, dass es den Fidesz zum vierten Mal in Folge gewählt habe, gibt Fehér zu bedenken.
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