Gegensätzliche Bewertungen der Orbán-Rede in Băile Tușnad
26. Jul. 2022Ein regierungsnaher Kommentator lobt den Ministerpräsidenten für sein Bemühen, Ungarn als eigenständige Nation zu bewahren. Sei linksorientierter Kollege dagegen bezeichnet die Äußerungen Viktor Orbáns als widersprüchlich.
Nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause hat Ministerpräsident Viktor Orbán am Samstag seine traditionelle Rede auf der alljährlichen „Sommeruniversität“ des Fidesz im siebenbürgischen Băile Tușnad (Tusnádfürdő) gehalten. Er hoffte, dass Ungarn „eine lokale Ausnahme“ in einer von der Rezession gebeutelten Welt sein werde, erklärte der Gast aus Budapest und forderte andere Länder auf, Ungarn nicht ihre Gender-Ideologie aufzuzwingen. Er versprach, sich gegen die Masseneinwanderung von außerhalb Europas zu wehren. Wörtlich: „Wir wollen uns nicht zu einer gemischten Rasse entwickeln.“ Weiter vertrat Orbán die Ansicht, dass Sanktionen gegen Russland den Krieg in der Ukraine nicht beenden würden. Auch zeigte sich der Regierungschef überzeugt, dass Ungarn schließlich eine Einigung mit der Europäischen Union erzielen werde (über die Auszahlung der für sein Land bestimmten Finanzmittel, die zur Zeit wegen von der Union beklagter Rechtsstaatlichkeitsdefizite eingefrorenen sind).
Levente Sitkei interpretiert die Rede des Ministerpräsidenten als eine, in der es vor allem um die Frage der Nationalität gegangen sei und die sich gegen Bestrebungen gewandt habe, alle Nationen zu „einer grauen, ununterscheidbaren Masse“ zu verschmelzen. In einem Artikel für Magyar Nemzet lehnt er eine Kultur der politischen Korrektheit ab, deren Verfechter nicht zögerten, Verteidiger des Konzepts der Nationalität als „Nazis“ zu titulieren. Ungarn, so Sitkei weiter, habe nicht das Recht, anderen vorzuschreiben, welchen Weg sie einschlagen sollen. Jedoch „sollte es sich selbst sauber, moralisch und demokratisch geben“, anstatt zu versuchen, sich an Modeerscheinungen anzupassen darauf hoffend, „sich das wohlwollende Lächeln der Mächtigen“ zu verdienen.
Nach Ansicht von Péter Németh hat Orbán in seiner Rede „lächerliche Schlussfolgerungen“ gezogen. Das Hauptproblem, so der Redakteur der linken Tageszeitung Népszava, seien vielleicht „nicht so sehr einige Nazi-Ideen“ (eine Anspielung auf den Widerstand des Ministerpräsidenten gegen die Masseneinwanderung von außerhalb Europas und darauf, dass die Ungarn keine gemischte Rasse seien – Anm. d. Red.). Németh wirft Orbán vor, „haarsträubende Vorstellungen“ zu hegen, wenn er erkläre, dass Ungarn im Jahr 2030 zu denjenigen gehören werde, die in der Europäischen Union „den musikalischen Takt vorgeben“, oder dass der Krieg in der Ukraine zu Ende gehen werde, sollte Donald Trump 2024 erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden.