Wochenpresse zur Zukunft der ungarischen EU-Finanzierung
26. Sep. 2022Die fünf der Opposition nahestehenden Wochenblätter bezweifeln, dass die Europäische Kommission eine komplette Transparenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Ungarn werde erreichen können. Regierungsnahe Kommentatoren hingegen weisen das gesamte Prozedere, wonach der Transfer von EU-Geldern an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft wird, als ungerecht zurück.
László Arató berichtet in einem Magyar Hang-Artikel aus Brüssel, dass die Europäische Kommission der ungarischen Regierung nicht trauen und deshalb ihren Vorschlag, 65 Prozent der Kohäsionsfonds einzubehalten, lediglich aussetzen werde. Das gelte, sollte die von der ungarischen Regierung zugesagte Gesetzesinitiative, die die Integrität der Verwendung von EU-Geldern garantieren solle, bis Mitte Dezember tatsächlich vom Parlament abgesegnet werden. Auch danach könne die Kommission die Überweisungen einfrieren, falls die geplanten Maßnahmen keine Wirksamkeit entfalten sollten, betont Arató.
Der ehemalige LMP-Abgeordnete und aktuelle Vertreter des Budapester Oberbürgermeisters in Brüssel, Benedek Jávor, geht im Wochenblatt Jelen davon aus, dass sich Ungarn und die EU im Dezember sowohl über die Mittel für die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie als auch über die Mittel im Rahmen des Siebenjahreshaushalts der EU einigen dürften. Allerdings werde die Kommission die ersten Transfers nicht vor Ende des nächsten Jahres vornehmen, so Jávor.
In Élet és Irodalom äußert Lajos Csepi Zweifel, dass die neu einzurichtende Behörde zur Überwachung der Seriosität des öffentlichen Auftragswesens ihrer Aufgabe gewachsen sein werde. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, vermutet der frühere Leiter der Agentur für Staatseigentum, die in den 1990er-Jahren die umfangreichen Privatisierungen überwacht hatte, dass die Justiz die Schuldigen nicht bestrafen werde.
Magyar Narancs ist sich sicher: Die Regierung werde es schaffen, die von der EU-Kommission praktisch gesperrten Mittel wieder freizubekommen. Äußerst skeptisch sind die Redakteure des linksliberalen Wochenmagazins allerdings dahingehend, ob der Kommission eine Kontrolle der Verwendung dieser Gelder gelingen könne. Die Verantwortlichen der Europäischen Union würden ihre Drohung, die Transfers nach Ungarn auszusetzen, nur verwenden, um die ungarische Regierung an einer Blockade von gegen Russland gerichteten EU-Maßnahmen per Veto abzuhalten.
In ihrem für Heti Világgazdaság verfassten Leitartikel ätzt Györgyi Kocsis: Man müsse schon ein Marsmensch sein, um zu glauben, dass die Korruption in Ungarn ausgemerzt werden könne. Die Kolumnistin verdächtigt die Regierung in Budapest, sie wolle die Europäische Kommission bei der Führung der neu einzurichtenden Behörde zur Überwachung des öffentlichen Auftragswesens überlisten.
Auf Seiten der Regierungsbefürworter wirft András Bencsik der Europäischen Kommission vor, sie sei besorgt über das ungarische Beharren auf Souveränität. Der Chefredakteur des Wochenmagazins Demokrata hält die gegen Ungarn erhobenen Vorwürfe bezüglich mangelnder Rechtsstaatlichkeit für ausgesprochene Nebelkerzen. Mit seinen gedeihlichen Beziehungen zum Osten kann Ungarn laut Bencsik als gefährliches Vorbild für andere europäische Länder betrachtet werden.
Gergely Dobozi vertritt die Auffassung, dass die Rechtsgrundlage für die Aussetzung der Überweisungen an Ungarn auf extrem wackligen Füßen stehe. Die Zahlungen hätten nur auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses des Europäischen Rates zurückgehalten werden können. Der jedoch, so betont der Kolumnist in Mandiner, sei nie gefasst worden. Dafür habe die Kommission die Beratungen sowohl über den Post-Corona-Wiederaufbau- und Stabilitätsfonds als auch die im Rahmen des Haushaltsplans 2021/28 fälligen Transfers einfach verschoben, obwohl die ungarischen Vorschläge bereits vor mehreren Monaten vorgelegt worden seien. Damit verstoße die Europäische Kommission im Namen der Rechtsstaatlichkeit gegen ebenjene Werte der Rechtsstaatlichkeit, behauptet Dobozi.
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