Weihnachten als Schlachtfeld im Kulturkampf
26. Dec. 2022Politische Kommentatoren von rechts bis links machen sich über die politischen sowie sozialen Aspekte von Weihnachten ihre Gedanken.
In einem Artikel für Magyar Hírlap fordert József Benda eine Institutionalisierung der Vollzeitmutterschaft. Weihnachten sei ein Fest der Geburt und des Lebens, so der konservative Soziologe, der dem Sozialismus eine Schwächung von Familien vorwirft, indem er feministische Werte fördere und Abtreibungen zulasse. Durch die Vollzeitbeschäftigung von Frauen gerieten Familien ins Hintertreffen. Mit diesen Entwicklungen erklärt Benda einzelne „soziale Abweichungen“ unter jungen Generationen sowie die Schwächung des sozialen Vertrauens. Weiter stellt er fest, dass seinen eigenen Untersuchungen zufolge nur fünf Prozent der Mütter eine Karriere als ihr wichtigstes Ziel ansehen würden, während 25 Prozent eine Vollzeitmutter sein möchten. 70 Prozent lägen dazwischen und versuchten, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Mutterschaft und Arbeit zu finden. Benda schließt mit der Forderung, dass die institutionelle Anerkennung der Vollzeitmutterschaft das wichtigste strategische Ziel für Ungarn sein sollte.
Balázs Ágoston denkt in einer Kolumne der Tageszeitung Magyar Nemzet über die Kommerzialisierung und Entnationalisierung von Weihnachten nach. Der konservative Kolumnist hält es für bedauernswert, dass ausländische Popsongs in ungarischen Einkaufszentren und auf einheimischen öffentlichen Plätzen – vor allem in Budapest – dominieren. Ágoston begrüßt die Bemühungen der Regierung um den Aufbau der Nation, befürchtet aber, dass die ungarische Kultur und Identität nicht bewahrt werden könnten, wenn „ausländische Mächte oder ihre Agenten versuchen, unsere ungarische Identität systematisch auszulöschen, indem sie uns eine ausländische kommerzielle Popkultur aufzwingen“.
In Heti Világgazdaság hält Árpád W. Tóta fest, dass sich Weihnachten zu einer überholten Tradition gewandelt habe. Das heutige kommerzielle Weihnachtsfest habe nichts mit dem christlichen Erbe zu tun, so der liberale Publizist. Sogar die biblische Geburtsgeschichte Jesu stelle eine reine Erfindung dar. Laut Tóta besitzen weder der Glaube an eine transzendente Intelligenz noch „eine rein männliche Gottesfigur“ für unser Leben noch eine gewisse Relevanz. Die christliche Religion könnte bald „ein subkulturelles Hobby“ werden. Tóta fügt hinzu, dass auch Weihnachten feiernde Atheisten (selbst wenn auf eine nicht religiöse Weise) in einem „schizophrenen Geisteszustand“ leben würden.
András Hodász, ein liberaler katholischer Priester, schreibt in der gleichen Wochenzeitung: Die zentralen Werte des Christentums seien Liebe und das Einfühlungsvermögen, nicht jedoch das Befolgen starrer Regularien. Die Liebe zur Menschheit erfordere Toleranz und eine besondere Fürsorge für die Ausgestoßenen der Gesellschaft, fügt Hodász hinzu. Ein Land werde nicht durch politische Erklärungen, eine sich auf christliche Werte berufende Verfassung und Politiker, die regelmäßig in die Kirche gingen, christlich, sondern durch unsere eigene Bereitschaft, sämtliche Unterschiede zu überwinden und gemeinsam zu feiern. Die wichtigste Lehre von Weihnachten bestehe darin, dass Arme und Reiche, Sünder und Religiöse, Konservative und Liberale, Schwule und Heterosexuelle gemeinsam feiern sollten, so Hodász resümierend.
Der Theologe István Gégény, der als PR-Manager tätig ist, glaubt auf dem Nachrichtenportal Telex, dass die Ungarn in ihrer Religiosität nachlassen, weil die Kirchen sie nicht erreichen. Die Bevölkerung würde sich von der institutionalisierten Religion abwenden, was zum Teil auf die Politisierung der Kirchen zurückzuführen sei, behauptet Gégény unter Berufung auf eigene Untersuchungen. Er wirft den ungarischen Kirchen unmissverständlich vor, homophobem Hass Vorschub zu leisten und eng mit der Regierung zusammenzuarbeiten. Er versteigt sich gar zu dem Vorwurf an die Adresse der Kirchen, sie würden politische PR-Aktionen durchführen, anstatt sich um die spirituellen Bedürfnisse der Ungarn zu kümmern und sozial benachteiligten Gruppen zu helfen.
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