Ungarns Haltung zur Ukraine im Spiegel der Wochenpresse
13. Mar. 2023Oppositionsnahe Kommentatoren werfen der Regierung vor, sie billige die russische Aggression, wenn sie die gegen Moskau verhängten Sanktionen kritisiere. Die regierungsfreundlichen Autoren wiederum loben „die einzige unabhängige Stimme in Europa“.
In seinem gewohnten Magyar Hang-Leitartikel vertritt Szabolcs Szerető die Ansicht, dass Ungarn in seinem Bemühen, so viel wie möglich von seinen wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland aufrechtzuerhalten, allein dastehe. Im Gegensatz dazu habe Deutschland nach dem Einmarsch in die Ukraine seine traditionelle Ostpolitik aufgeben müssen, die sich gegenüber dem russischen Autoritarismus blind gestellt hatte. Stattdessen liefere die deutsche Regierung nun Waffen und Munition an die Ukraine, notiert Szerető.
In seiner Kolumne auf der Titelseite von Élet és Irodalom bezeichnet Zoltán Kovács die Reise von Fidesz-Abgeordneten nach Schweden und Finnland im Vorfeld des Parlamentsbeschluss über den Nato-Beitritt beider Länder als lächerlichen Vorgang. Ungarns führende politische Klasse habe versichert, den Antrag der beiden nordischen Länder auf Beitritt zum Nordatlantikbündnis zu befürworten. Stockholm und Helsinki acht Monate lang warten zu lassen und ihnen „unbedeutende Abgeordnete“ zu schicken, damit sie gegen skandinavische Kritik an der ungarischen Rechtsstaatlichkeit protestieren, sei demnach eine reine Farce, gibt der Chefredakteur der Wochenzeitung zu Protokoll.
Magyar Narancs wertet die Reise der vier Delegierten nach Skandinavien als den ungeschickten Versuch, für Ungarn bestimmte, aber aufgrund der Probleme mit der hiesigen Rechtsstaatlichkeit eingefrorene EU-Gelder freizubekommen. Statt dieses Ziel zu erreichen, könnte Ministerpräsident Orbán jedoch die Vereinigten Staaten – Nato-Macht Nummer eins – in seinen Streit mit der Europäischen Union hineinziehen. Die Folge werde eine Schwächung der Position des Ministerpräsidenten – und Ungarns sein, vermuten die liberalen Wochenzeitungsredakteure.
Die Fidesz-Abgeordneten hätten sich bei ihrem Aufenthalt in Skandinavien, dem Reich der Fertigteilmöbel, nach der Blaupause für ein demokratisches System erkundigen sollen, das es Ungarn ermöglichen würde, seinen Platz in der EU und der Nato zu bewahren, schlägt Márton Gergely in einem sarkastischen Beitrag für Heti Világgazdaság vor. Seiner Meinung nach hat die Regierung jedoch nicht die geringste Absicht, die rechtsstaatlichen Kriterien zu erfüllen, die eine unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Ziels wären.
In Jelen kritisiert Tamás Fóti den Ministerpräsidenten mit scharfen Worten, habe er doch der Europäischen Union vorgeworfen, das Feuer in der Ukraine in unverantwortlicher Weise zu schüren. Magyaren (also ethnische Ungarn aus der Westukraine) haben Orbán zufolge bereits ihr Leben im Krieg verloren – im Gegensatz zu „Brüsselern“, denen es so leicht falle, über Waffen und Sanktionen zu fabulieren. Nach Ansicht von Fóti decken sich die Worte des einen sofortigen Waffenstillstand verlangenden Ministerpräsidenten mit der Haltung links- und rechtsextremistischer Politiker in Deutschland, die der Meinung seien, dass ihr Land die Ukraine nicht unterstützen sollte, weil dadurch der Krieg nur verlängert werde.
Gergely Szilvay von Mandiner widerspricht denjenigen, die eine Intervention auf Seiten der Ukraine für eine moralische Pflicht halten. Er räumt ein, dass die russische Invasion kaum zu rechtfertigen sei. Gemäß christlicher Ethik sei jedoch die Einmischung in einen Krieg niemals eine moralische Pflicht. Sie sei jedoch auch nicht verboten, räumt Szilvay ein, aber nur, wenn man fest davon überzeugt sei, dass eine Chance auf den Sieg über den Aggressor bestehe. Gleiches gelte für indirekte Interventionen wie Sanktionen oder Waffenlieferungen, schlussfolgert Szilvay.
In Demokrata vertritt András Bencsik die Meinung, dass die gegen Russland verhängten Sanktionen Europa erheblich geschwächt haben. Auch sieht er niemanden in Brüssel oder in den Mitgliedsstaaten, der versuchen würde, die zum Niedergang Europas führen Prozesse zu stoppen. Ungarn sei das einzige Land in der Europäischen Union, das darauf hinweise, was vor sich gehe, und Maßnahmen ergreife, um „den Crash zu verhindern“.
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