Wochenpresse zu den Aussichten der ungarischen Wirtschaft im Jahr 2024
15. Jan. 2024Liberale Kommentatoren sehen die Wirtschaft des Landes in einer Falle, wobei man sich zwischen hoher Inflation oder Stagnation entscheiden müsse. Regierungsnahe Wirtschaftswissenschaftler dagegen prognostizieren ein bescheidenes, aber anhaltendes Wachstum.
Das enttäuschende Haushaltsdefizit von sechs Prozent im vergangenen Jahr werde die Regierung zu Sparmaßnahmen zwingen, ist Zoltán Farkas überzeugt. Unter solchen Bedingungen hält er eine Wiederbelebung des Wirtschaftswachstums für extrem schwierig. Frühere Bemühungen von zwei aufeinander folgenden Regierungen, das Haushaltsdefizit innerhalb eines Jahres um drei Prozentpunkte zu senken, hätten in zwei Quartalen eine Rezession verursacht, erinnert der Autor in einem Beitrag für das Wochenmagazin Heti Világgazdaság.
In Magyar Hang weist Szabolcs Szerető auf eine wahrnehmbare Spannung innerhalb des Kabinetts zwischen Finanzminister Mihály Varga und Márton Nagy hin. Dabei bestehe ersterer auf einer Senkung des öffentlichen Defizits auf 2,9 Prozent des BIP, während letzterer dem Wirtschaftswachstum Vorrang vor der Haushaltsdisziplin einräume. Szerető glaubt, dass Nationalwirtschaftsminister Nagy die Oberhand behalten werde – zumindest bis zu den Kommunal- und Europawahlen im Juni.
In einem Artikel für die Wochenzeitung Élet és Irodalom äußert sich Tamás Mellár sicher, dass Ministerpräsident Orbáns Plan eines Wirtschaftswachstums von drei bis vier Prozent in Erfüllung gehen werde, und zwar unabhängig von dem dafür zu entrichtenden Preis. Der ehemalige Chef des Zentralen Statistikamtes und jetzige Oppositionsabgeordnete geht davon aus, dass es unter diesen Bedingungen nicht möglich sein werde, die Inflation oder das Defizit der Staatsfinanzen weiter zu senken, so dass die Verschuldung der öffentlichen Hand und die daraus resultierenden Kosten für den Schuldendienst ansteigen dürften.
Géza Sebestyén dagegen bezeichnet die Anstrengungen des Kabinetts im Sinne der Inflationsbekämpfung als extrem erfolgreich. Die Inflation innerhalb von zehn Monaten von 25 Prozent auf eine einstellige Zahl zu senken, sei eine Errungenschaft, für die man normalerweise ein Jahrzehnt benötige, konstatiert der Leiter der wirtschaftspolitischen Werkstatt des Matthias-Corvinus-Kollegs in einem Demokrata-Artikel. Als nächster Schritt werde eine allgemeine Senkung der Zinssätze folgen, die die Investitionen ankurbeln und folglich zu höheren Löhnen führen werde, ist Sebestyén überzeugt.
Im Wochenmagazin Mandiner vertreten Martin Santo und Attila Bácsi die Auffassung, dass Chinas globaler wirtschaftlicher Aufstieg „Verbindungsstaaten“ neue Möglichkeiten eröffne – Staaten also, die als Vermittler zwischen dem Westen und China fungieren könnten. Ungarn, obwohl Mitglied der westlichen Allianz, könne eine solche Rolle übernehmen, glauben die Autoren und verweisen auf die Elektroautoindustrie, wo Ungarn zu einem Verbindungsglied zwischen chinesischen und deutschen Herstellern avanciere.
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