Pädophilie-Begnadigungsskandal sowie die Zukunft der EU im Spiegel der Wochenpresse
12. Feb. 2024Die Wochenzeitungen waren bereits im Druck, als sich Ministerpräsident Viktor Orbán für eine Verfassungsänderung dahingehend aussprach, dass pädophile Straftäter künftig nicht mehr begnadigt werden können. Deswegen wird dieses Thema lediglich von der Opposition nahestehenden Kommentatoren aufgegriffen, wobei einige von ihnen den Rücktritt von Präsidentin Novák und sogar der ehemaligen Justizministerin Judit Várga prophezeiten. Hauptthema der regierungstreuen Presseorgane war die ihrer Meinung nach falsche Richtung, in die sich die Europäische Union bewegt. Nach dem Skandal um ihre Entscheidung, einen Mann zu begnadigen, der wegen des Versuchs verurteilt worden war, einen pädophilen Straftäter zu decken, räumte Präsidentin Novák am Samstag ihren Fehler ein und erklärte ihren Rücktritt. Auch die ehemalige Justizministerin Judit Varga, die die Begnadigung gegengezeichnet hatte, verkündete ihren Abschied aus dem politischen Leben.
Nach Ansicht von László Semsei hätte Präsidentin Novák der Öffentlichkeit die Gründe für die Begnadigung eines Mannes erläutern sollen, der seinen Vorgesetzten zu decken versuchte. (Der Leiter eines Waisenhauses hatte sich sexueller Übergriffe an ihm anvertrauten Kindern schuldig gemacht – siehe BudaPost vom 8. und 10. Februar). In Hetek notiert der Kolumnist, die Opfer fühlten sich nun zu Recht vom Staat im Stich gelassen. In der Überschrift seiner Titelgeschichte nennt das Wochenblatt diesen Akt der Begnadigung durch die Präsidentin „ungerecht“.
In einem ihrer beiden Leitartikel deutet Magyar Narancs den Fall als Beweis dafür, dass führende Beamte innerhalb der Verwaltung nicht einmal auf die Idee kommen würden, selbst zu denken – geschweige denn unabhängig zu handeln. Die Redakteure werfen Präsidentin Novák sowie der ehemaligen Justizministerin Varga, die die Entscheidung gegengezeichnet hatte, vor, mit ihrer Begnadigung den Missbrauch pädophiler Kinder implizit Vorschub zu leisten.
Im Wochenmagazin Heti Világgazdaság beschuldigt János Dobszay die Präsidentin, sie habe unmoralisch gehandelt, sollte sie mit der Angelegenheit vertraut gewesen sein. Falls nicht, so sei ihre Haltung noch weniger zu rechtfertigen. Aufgrund der fehlenden Begründung für die Begnadigung habe sie weitreichenden Spekulationen über eine mögliche Lobbytätigkeit einflussreicher Kreise Tür und Tor geöffnet – Lobbyisten also, die sie davon überzeugt hätten, den Komplizen eines pädophilen Straftäters zu begnadigen, schreibt Dobszay.
In seinem Leitartikel auf der Titelseite von Élet és Irodalom notiert István Váncsa: Präsidentin Novák habe es inzwischen fertiggebracht, „die gesamte Gesellschaft in Rage zu bringen“. Der einzige Ausweg für sie bestehe nunmehr in ihrem Rücktritt und sowie im lebenslangen Rückzug in ein Kloster. Allerdings, so fährt der Kommentator fort, würde das Eingeständnis der Schwere ihres Fehlers einen Schatten auf den „Königsmacher“ werfen, dem selbstverständlich niemals Fehler unterliefen. Gleichzeitig macht sich Váncsa über die Opposition lustig, deren Vertreter ihre Anhänger aufgefordert hätten, Plüschtiere mit zugeklebten Mündern zu deponieren. Als ob das etwas ändern würde. Das also seien die Leute, die eines Tages die Regierungsgeschäfte übernehmen sollten, beschwert sich Váncsa.
Hoffentlich werde sich Präsidentin Novák zum baldigen Rücktritt gezwungen sehen, heißt es in der Wochenzeitung Magyar Hang. Laut dem Autor des Artikels, Szabolcs Szerető, kann sie unmöglich hoffen, die Last ihrer Entscheidung bis zum Ende ihrer Amtszeit tragen zu können. Weiterhin richtet Szerető den Fokus auf Judit Varga: Sie könne kaum noch Spitzenkandidatin des Fidesz für die Wahlen zum Europäischen Parlament bleiben. Den Ministerpräsidenten dürfte es schmerzen, solche Entscheidungen zu treffen, prophezeit er. Allerdings habe er keine andere Wahl.
In Demokrata kommentiert András Bencsik den Aufruhr von Landwirten in ganz Westeuropa und sieht einen der Hauptgründe für den Protest im Brüsseler Beschluss, den europäischen Markt mit ukrainischem Getreide und Geflügel zu fluten, die aufgrund von subventioniertem Treibstoff und im Vergleicht zur EU weniger strengen Produktionsmethoden billiger seien. Darüber hinaus schicke die Union riesige Geldbeträge in die Ukraine, ohne sich um die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land zu scheren. Ungarn hingegen werde ein Großteil der dem Land zustehenden Gelder vorenthalten, weil es „verdächtige Missionare“ davon abhalte, sich seinen Kindern zu nähern, sich gegen eine massenhafte illegale Einwanderung wehre, auf seinen christlichen Wurzeln bestehe und Frieden dem Krieg den Vorzug gebe. Mögen die nächsten Europawahlen der europäischen Politik Veränderungen bescheren, hofft Bencsik.
In ähnlicher Weise, aber doch weniger energisch, warnt Mátyás Kohán von Mandiner davor, dass weitreichende umweltpolitische Reformen in der Wirtschaft zu einer zwar leichten, dafür aber anhaltenden Rezession in Europa führen könnten. Die niederländischen, österreichischen und finnischen Wähler könnten sicher mit dem Zwang leben, sich mit dem derzeitigen hohen Lebensstandard begnügen zu müssen, erklärt Kohán. Aber die Menschen in den Baltischen Staaten, den mitteleuropäischen Ländern sowie auf dem Balkan würden sich diesem Lebensstandard gerne annähern und könnten sich daher nicht vom Wirtschaftswachstum verabschieden. Wenn eine ganze Reihe von Ländern östlich der Oder, so Kohán, eine Option ablehne, könne diese innerhalb der Europäischen Union nicht umgesetzt werden. Deshalb dürfte ein gewaltiger Sturm in Europa heraufziehen, so Kohán.
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