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Wochenpresse zum Ergebnis der Europawahl

17. Jun. 2024

Oppositionsnahe Kommentatoren begrüßen das unerwartet gute Abschneiden von Péter Magyars neu gegründeter Partei TISZA und erkennen in dem Ergebnis einen Rückschlag für den Fidesz. Die regierungsfreundlichen Kolumnisten wiederum hätten ein besseres Abschneiden der Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán erwartet, sehen im Wahlausgang aber keine wirkliche Gefahr.

In Élet és Irodalom beschreibt István Váncsa das Wahlergebnis als ein politisches Erdbeben – den Vorboten eines möglicherweise fernen, aber doch gewissen Endes der Herrschaft der amtierenden Regierung. Der Kolumnist erinnert daran, dass das kommunistische Regime vor seinem Kollaps nur sehr wenige strukturelle Risse aufgewiesen habe. Der Unterschied bestehe darin, dass viele Funktionäre des kommunistischen Regimes „sich selbst Schiffe gebaut haben, um das andere Ufer zu erreichen“, – will heißen, um unter den Bedingungen der Demokratie zu überleben. Die heutigen Führer hingegen, „die enorme Vermögen gestohlen haben“, würden sich stur an die Macht klammern, beobachtet Váncsa.

Soma Vízvári wiederum kann für die Regierenden keinen Grund erkennen, sich über den Ausgang der Wahl Sorgen zu machen. Ihre Wahlliste habe genau so viele Stimmen wie bei der Parlamentswahl vor zehn Jahren erhalten. Im Ergebnis sei damals eine Zweidrittelmehrheit herausgekommen, erinnert Vízvári im Wochenjournal Mandiner, räumt jedoch ein, dass aufgrund der aktuell hohen Wahlbeteiligung diese Zahl vergangenen Sonntag nur für einen knapp 45-prozentigen Stimmenanteil ausgereicht habe. Dennoch würde auch dieses Ergebnis für den Fidesz ausreichen, um die übliche Zweidrittelmehrheit im Parlament zu erobern, versichert der regierungsnahe Kolumnist.

Szabolcs Szerető von Magyar Hang räumt dies ein, jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen, dass das Auftauchen einer neuen dominanten Oppositionspartei einem politischen Erdrutsch gleichkomme, da es der binären, „lähmenden“ Natur der ungarischen Politik ein Ende setze, bei der eine Seite von Viktor Orbán und die andere von Ferenc Gyurcsány dominiert werde. Péter Magyar habe Massen von Wählern mit Hoffnung erfüllt, notiert Szerető. Allerdings könne er nicht sagen, ob Magyar in der Lage sein werde, diesen Hoffnungen zu entsprechen.

Magyar und seine TISZA-Partei hätten eine bürgerliche Mittelschicht aktiviert, die sich vor etwa 20 Jahren aus der Politik zurückgezogen habe, weil sie von keiner Partei vertreten worden sei, vermutet Balázs Vető. Diese Ungarn, so der Autor in Jelen, hätten nun eine politische Kraft entdeckt, die einen Wandel in der ungarischen Politik bewirken könnte. Allerdings ist sich Vető nicht sicher, ob Magyar zur effektiven Führung einer solchen Gemeinschaft fähig sei.

In einem Beitrag des Magazins Heti Világgazdaság vergleicht Stefano Bottoni den TISZA-Gründer mit dem französischen Präsidenten. Emmanuel Macron stamme ebenfalls aus der herrschenden Elite und sei derjenige gewesen, der der Sozialistischen Partei Frankreichs die Todesdiagnose gestellt habe, erklärt der ungarisch-italienische Historiker. Péter Magyar tue das Gleiche im Hinblick auf den kranken Körper der ungarischen Linken, von der jeder gewusst habe, dass sie auf dem Sterbebett liege. Allerdings sei bislang niemand dagewesen, der das verkündet habe.

Im regierungsnahen Wochenmagazin Demokrata räumt András Bencsik ein, dass die Wahl kein Erfolg für den Fidesz gewesen sei. Der „beängstigende Aufstieg einer völlig neuen Partei“ markiere ein Novum in der ungarischen Politikgeschichte und das sollte den rechten Meinungsmachern zu denken geben, mahnt Bencsik. Ungeachtet all dessen und trotz der Städte, die der Fidesz bei den Kommunalwahlen in der vergangenen Woche verloren habe, sei das Gesamtergebnis positiv, beharrt der Publizist. Dennoch warnt er seine Partei davor, scheinbar kleine, aber möglicherweise gefährliche Fehler zu begehen, die ihr das Leben künftig erschweren könnten.

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