Debatte über das staatliche Bildungssystem
8. Aug. 2019Ein linker Kolumnist kritisiert die Novelle des Gesetzes über das staatliche Bildungswesen. Ein konservativer Kollege macht dagegen geltend, dass bürokratische Anstrengungen zur Integration benachteiligter Kinder zum Scheitern verurteilt seien.
Gemäß dem neuen im Juli vom Parlament verabschiedeten Gesetz müssen künftig alle sechsjährigen Kinder die Grundschule besuchen – es sei denn, sie leiden an schweren (nachgewiesenen) Gesundheitsproblemen. Die Novelle schränkt die Möglichkeiten der Beschulung zu Hause ein und schreibt darüber hinaus vor, dass Privatschulen die grundlegenden Anforderungen der an öffentlichen Schulen unterrichteten Lehrpläne erfüllen müssen. Mit den Änderungen wird das bisher geltende Recht von Elternvereinen eliminiert, Bewerbungen von Schulleitern zu überprüfen. Laut Regierung sollen die neuen Vorschriften Integration und Gleichstellung stärken. Bence Rétvári, Staatssekretär im Ministerium für Humanressourcen, erklärte in diesem Zusammenhang, dass die bisherigen Richtlinien, die Schulen und Familien mehr Ermessensspielraum gewährt hätten, dazu missbraucht worden seien, benachteiligten Kindern die Aufnahme in eine Schule zu verwehren.
Dániel Juhász von der Tageszeitung Népszava wirft der Regierung vor, Kinder zu „verstaatlichen“. Der linksorientierte Kommentator behauptet, dass das neue Bildungsgesetz das Recht der Eltern, über die Zukunft ihrer Kinder zu entscheiden, massiv beschneide. Falls Entscheidungen über Angelegenheiten des öffentlichen Bildungswesens nicht von Familien, sondern von staatlichen Gremien getroffen würden, werde das System weniger flexibel und die Interessen von Kindern mit besonderen Bedürfnissen dürften weniger Berücksichtigung finden, ist Juhász überzeugt.
Gergely Szilvay kommentiert ein Interview der Wochenzeitschrift 168 Óra mit der Soziologin Ágnes Kende. (In dem Interview erklärt die liberale Wissenschaftlerin, dass staatlichen Bemühungen zur Etablierung von Schulen ohne Segregation seitens der mehrheitsgesellschaftlichen Elternschaft unterlaufen würden, die ihren Nachwuchs in Schulen einschreiben ließe, die weder Roma noch Kinder aus armen Familien besuchen würden. Integration könne ohne Einschränkung des Rechts auf freie Schulwahl nicht gelingen, betont die Soziologin in dem Interview – Anm. d. Red.)
Eigenartig, so Szilvay auf Mandiner, dass Linksliberale – die doch der Regierung oft vorwerfen würden, sie zwinge dem Volk ihren Willen auf – das Recht der Eltern einschränken wollten, diejenige Schule auszusuchen, von der sie dächten, dass sie am besten zu ihren Kindern passe. Szilvay widerspricht Kende, wonach die sich aufgrund von Elternentscheidungen ergebende „spontane Segregation“ als institutionell wahrgenommen werden sollte. Szilvay erinnert daran, dass Kende und andere eine Segregation ablehnende Intellektuelle in reichen Stadtvierteln leben und ihre Kinder daher öffentliche oder private Schulen ohne benachteiligte Kinder besuchen würden.
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