Oberbürgermeisterwahl: Skandal sorgt für überraschendes Kopf-an-Kopf-Rennen
14. Oct. 2019Obwohl sowohl heimlich mitgeschnittene verbale Korruptionsempfehlungen als auch Sexvideos regionaler Oppositionspolitiker aufgetaucht sind, vertreten zahlreiche Kommentatoren die Ansicht, dass der Fall des Fidesz-Bürgermeisters von Győr vor allem den Regierenden schaden könnte.
Ein sozialistischer Kommunalpolitiker aus dem XIX. Budapester Stadtbezirk war bei der Erteilung von Ratschlägen heimlich aufgenommen worden. So ging es beispielsweise darum, auf welche Art und Weise jemand in seiner Position illegal „hundert Millionen Forint pro Jahr“ verdienen könnte. Auch tauchte ein Video des liberalen Bürgermeisters von Budaörs auf, das ihn in einer pikanten Situation mit einer Prostituierten zeigt. Ein Sexvideo jedoch, das den Győrer Fidesz-Bürgermeister Zsolt Borkai auf einer Yacht in der Adria abbildet, im Zusammenspiel mit gegen Borkai gerichteten Vorwürfen über massive Korruption – erhoben von derjenigen Person, die das Video veröffentlicht hatte – scheinen zumindest in städtischen Gebieten Wirkung zu zeigen. Der Kommunalpolitiker berief am Freitag eine Pressekonferenz ein, auf der er eine außergewöhnliche Erklärung abgeben wollte. Magyar Nemzet online pflichtete vor diesem Hintergrund in einem ungezeichneten Beitrag dem Budapester Bürgermeister István Tarlós bei, der den Rücktritt Borkais gefordert hatte. Kurze Zeit später wurde die Pressekonferenz abgesagt und der Kommentar von Magyar Nemzet von der Internetseite entfernt.
Tamás Fábián und János Haász halten diese übereilten und widersprüchlichen Schritte für einen Beleg dafür, dass das Wahlkampfteam des Fidesz von den Wirkungen der Borkai-Affäre völlig überrascht worden sei. Zum ersten Mal nach dem Gewinn von elf Wahlen (auf nationaler, kommunaler und europäischer Ebene) befinde sich der Fidesz auf der Zielgeraden der Kampagne in der Defensive. Auf Index verzichten die beiden Autoren auf eine Prognose des Wahlergebnisses, glauben aber, dass Fidesz durch die Affäre schwer beschädigt worden sei.
„Zum ersten Mal seit Menschengedenken“, so Chefredakteur Péter Pető von 24.hu, sei die Wahlkampagne des Fidesz zwei Tage vor dem Urnengang in ein komplettes Chaos geschlittert. Das bedeute nicht unbedingt, dass Borkai oder der Budapester Bürgermeister István Tarlós ihre Posten verlieren würden, aber das Ergebnis werde knapper ausfallen, als noch vor wenigen Tagen erwartet, notiert Pető.
Der Humorist Tibor Bödőcs, ein vehementer Kritiker der Regierung, erklärte im der Opposition nahestehenden Fernsehsender ATV, dass die in die Korruptions- und Sexskandale verwickelten Politiker sowohl der Linken als auch der Rechten sofort hätten zurücktreten sollen. In einer Nebenbemerkung stellt Bödőcs fest, dass er sich keine Sorgen um seine häufigen Parodien führender Regierungspolitiker machen müsse.
In Magyar Hang äußert der stellvertretende Chefredakteur der Wochenzeitung, Szabolcs Szerető, die Vermutung, dass der Fidesz trotz des Borkai-Skandals landesweit klare Siege einfahren werde. Allerdings könnte die Regierungspartei in einigen größeren Ortschaften auch empfindliche Niederlagen einstecken müssen. Diese relativen und lokalen Erfolge könnten die Anhänger der Opposition mit Hoffnung erfüllen und als Grundlage für bessere Ergebnisse bei den Parlamentswahlen des Jahres 2022 dienen.
In seinem regelmäßigen Leitartikel für das Wochenblatt Demokrata beklagt András Bencsik, dass „schreckliche Dinge aufgetaucht sind – und das leider nicht nur auf Seiten der Opposition“. Es sei, so fährt der regierungsnahe Publizist fort, als ob das Land, anstatt sich auf eine Wahl vorzubereiten, einen skrupellosen und blutigen Krieg führen würde.
In einer auf die Skandale bezogenen Kolumne auf der Titelseite der Wochenzeitung Élet és Irodalom kritisiert Zoltán Kovács „die allumfassende Korruption“ und widmet den Großteil seines Textes der Borkai-Affäre. Dessen ungeachtet erwähnt er in seinen letzten beiden Absätzen auch den Fall von Csaba Lackner, des eingangs erwähnten sozialistischen Kommunalpolitikers aus dem XIX. Budapester Stadtbezirk, und endet mit einer bitteren Schlusssentenz: „Wir sind tief genug gesunken, aber zumindest, meine Mitbürger, haben wir es hinbekommen, dass es Hand in Hand geschieht.“
In Magyar Narancs rufen die Redakteure die mit der Regierung unzufriedenen Wähler auf, am Sonntag an die Urnen zu schreiten und ihre Stimmen für Oppositionskandidaten abzugeben – und zwar selbst dann, falls sie sie nicht mögen sollten. Die Haltung derjenigen, die beide Seiten ablehnen würden, so argumentiert die Redaktion, diene schließlich dazu, den Verbleib des Fidesz an der Macht zu festigen.
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