Zweifacher politischer Druck: Budapester Theaterdirektorinnen berufen
28. Feb. 2020Ein rechtsorientierter Kolumnist prangert gegen die Empfehlung eines Fachgremiums getroffene politisch motivierte Entscheidungen des Budapester Oberbürgermeisters an. Hingegen kritisiert ein linkes Onlineportal die Einmischung der Regierung in Berufungsverfahren an Theaterhäusern.
Nachdem das ungarische Parlament ein Gesetz verabschiedet hatte, das die Zustimmung der Regierung zur Berufung von Direktoren solcher Theater verlangt, die zumindest teilweise aus dem Staatshaushalt finanziert werden, hat die Budapester Stadtverordnetenversammlung (Fővárosi Közgyűlés) fünf der elf großen Budapester Theater unter ihre ausschließliche Kontrolle gestellt. Als nun ein neuer Chef für das Ensemble des Szabad Tér (Open Air) mit seinen beiden Freilichttheatern bestellt und dabei die einstimmige Meinung eines Fachgremiums ignoriert werden sollte, drohte die Regierung mit der Absage von Gesprächen über die Finanzierung der übrigen sechs Theater. Auf dem Nachrichtenportal Index wurde berichtet, dass Oberbürgermeister Gergely Karácsony noch vor der „Erpressung“ seitens der Regierung von DK-Chef Ferenc Gyurcsány „erpresst“ worden sei. Dieser habe dem OB angeblich mitgeteilt, dass seine Leute den diesjährigen Haushalt nicht genehmigen würden, wenn er sich nicht auf die Seite ihrer Kandidatin für die Leitung des Szabad Tér stellen würde. Der stellvertretende Budapester OB, Csaba Horváth, sagte gegenüber Klubrádió, dass diese Information nicht präzise sei. Doch lehnte es der Kommunalpolitiker ab, „die Öffentlichkeit mit weiteren Einzelheiten zu entzweien“. Schließlich beschloss die Stadtverordnetenversammlung, beide Kandidatinnen zu berufen, und zwar je eine für das Freilichttheater auf der Margareteninsel und für das im Budaer Városmajor-Park.
In der Überschrift seiner Kolumne für Magyar Hírlap bezeichnet Dániel Galsai Oberbürgermeister Karácsony als von DK-Chef Ferenc Gyucsány „handgesteuert“. Außerdem wirft er dem OB vor, unter dem Druck seiner politischen Partner seine ursprünglichen Ideale zu opfern: Während liberale Politiker lautstark gefordert hätten, sich von den Theatern fernzuhalten, habe Karácsony die Meinung des von ihm selbst ernannten Expertengremiums einfach ignoriert und sich dafür entschieden, eine „politische“ Kandidatin für die Leitung des Szabad-Tér-Theaters vorzuschlagen.
Auf Városi Kurír hingegen verurteilt Viktória Láng die Regierung für die „Erpressung“ der Budapester Stadtverordnetenversammlung. Die Drohung der Regierung, sie werde die Gespräche über die Finanzierung von sechs Budapester Theatern aussetzen, basiere auf „einer bösen und billigen Lüge“ – nämlich, dass jede staatliche Beihilfe zur Finanzierung eines Budapester Theaters ein mildtätiger Akt sei. In Wirklichkeit, so schreibt die Autorin, handele es sich bei den großen Budapester Theatern um „nationale Institutionen“, die regelmäßig von außerhalb der Hauptstadt lebenden Menschen besucht würden.
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